Nach der Krise ist vor der Krise – Lessons Learned?

lessons learned

Immobilienboom und Weltwirtschaftskrise 2002-09

Workshop
22. Juni 2019, 13 – 18 Uhr
SYNNIKA, Niddastraße 57, 60329 Frankfurt am Main
Anmeldung unter: 
hello@surplus-club.com

Die nächste Krise dürfte bald wieder über uns hereinbrechen, und zwar ohne, dass die letzte wirklich beendet zu sein scheint; Börsencrash, platzende Immobilienblasen, Wirtschaftseinbrüche durch (das Ende der) Nullzinspolitik, Handelskriege oder neue militärische Eskalationen – so klingen einige der prophezeiten Szenarien.
Und wenn die nächste Krise ausbricht, werden wieder die Schuldigen gesucht. Die ‚Realwirtschaft‘ soll dann wieder da und dort zu viel oder zu wenig investiert, der Staat zu viel oder zu wenig reguliert haben, aber vor allem wird wieder von der ‚Gier’ der Finanzmärkte die Rede sein.
Ebenso sicher wird es dann alle möglichen Vorschläge geben, was Politik, ‚Realwirtschaft‘ und Finanzmarkt nun zu tun hätten. Als wären Krisen im Kapitalismus vermeidbar, würden nur die richtigen Schlüsse gezogen. Dabei war eins bisher in der Geschichte des Kapitalismus so sicher wie das Amen in der Kirche: das Auftreten von Wirtschaftskrisen.
Die breite Masse wird wieder den Schaden am eigenen Wohl und Leib spüren. Dann wird es spannend werden, wieviel Empörung daraus entsteht und in welche Richtung diese Empörung gehen wird. Die so genannten Rechtspopulisten sind schon in den Startlöchern, um alte und neue Sündenböcke anzubieten.
Es gibt also einige wichtige Gründe, die richtigen Lehren aus der letzten Krise zu ziehen. Bevor wir im Workshop über Ausblicke sprechen, begeben wir uns jedoch zunächst auf eine intensive wirtschaftshistorische Zeitreise in die USA: Wie fand der Aufschwung 2002-07 statt? Wie genau kam es zu Krise und Crash 2007-09? Und wie haben bestimmte Staaten diese immensen Rettungsschirme und Konjunkturpakete organisiert?
Wenn zur Normalität kapitalistischer Produktionsweise Krisen gehören, dann sind diese auch für das Verstehen der Normalität mit ins Zentrum zu rücken.

Wer an einer Teilnahme interessiert ist, möge sich bitte vorher kurz anmelden unter: 
hello@surplus-club.com
Auf Wunsch gibt’s dann auch Material zur Vorbereitung.

Eingeladen vom Surplus Club Frankfurt am Main wird dieser Workshop vom Projekt AntikapWiki ausgerichtet, das aufgerüttelt durch die letzte Krise ins Leben gerufen wurde und Kapitalismuskritik in Schrift, Bild und Ton sammelt – im Bemühen um Verständlichkeit ohne Vorwissen vorauszusetzen

Proletarisierung im Überschuss

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Ein Kommentar über das heutige Verhältnis von Surplus-Proletariat und Ohnmacht; veröffentlicht in diskus, Frankfurt am Main, Frühjahr 2019.

Die Überproduktionskrisen der Gegenwart fluten den Alltag mit Überstunden, E-Mails, Müll. Trotzdem scheint die Teilhabe an Kapital und Arbeit alles zu sein, wovon das Proletariat derzeit zu träumen wagt. Die Zunahme der relativen Überschussbevölkerung lässt sich dabei nicht mehr nur als Randphänomen einer sub-proletarischen Ansammlung von Abgehängten und Überflüssigen beschreiben. Die fragmentierten Lebensrealitäten leicht ersetzbarer, überschüssig-werdender Arbeitskräfte sind längst paradigmatisch geworden für das Klassenverhältnis der Gegenwart und dessen Krisenentwicklung.

Absolute und relative Überschussbevölkerung

Überbevölkerungsthesen, wie sie heute noch von Erdkundelehrerinnen bis hin zu offen Rechtsradikalen propagiert werden, wurden schon von Marx beispielhaft zerlegt. Im Kapital wird „Das allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation“[i] als Produktionsverhältnis definiert, das notwendig eine „Surplusarbeiterpopulation“ entstehen lässt. Dabei kritisiert Marx die von dem Pfarrer und Bevölkerungswissenschaftler Malthus vertretene These einer absoluten Überbevölkerung, die quasi-natürlich in allen Gesellschaften und unabhängig vom jeweiligen Produktionsverhältnis entstünde. Überflüssige Menschen sind nach Malthus ein Phänomen, dem nur mit strenger Geburtenkontrolle beizukommen ist: Wer nicht gebraucht wird, wäre besser nicht geboren worden. Die Entgegnung Marx‘ ist nicht nur ethisch, sondern auch analytisch: Zum einen ist die Nachfrage nach Arbeitskraft im Kapitalismus konjunkturbedingt, steigt und fällt je nach Krise bzw. Aufschwung; zum anderen charakterisiert Marx die bürgerliche Gesellschaft als ein Verelendungsverhältnis, das immer mehr Menschen in die Lohnabhängigkeit zwingt und zugleich, relativ zur steigenden Produktivität, immer weniger dieser proletarisierten Subjekte einkommensgesichert in die Produktion integriert. Eine solche Entwicklung kann auch durch Geburtenkontrolle nicht harmonisiert werden. Marx analysierte die Überschüssigen seiner Zeit als „industrielle Reservearmee“, die je nach Bedarf des Kapitals in den Produktionsprozess eingesaugt und bei fallender Nachfrage wieder ausgespuckt werden. „In dem Begriff des freien Arbeiters liegt schon, daß er Pauper ist: virtueller Pauper“ formulierte Marx in den Grundrissen.[ii] Die real pauperisierte „hin- und hergeworfene Masse“[iii] sah er jedoch in keinem hoffnungsvollen Licht. Politisch brachten Marx und Engels dem „Lumpenproletariat“ kein Vertrauen entgegen: „seiner ganzen Lebenslage nach wird es bereitwilliger sein, sich zu reaktionären Umtrieben erkaufen zu lassen“.[iv] Dass das Proletariat Anfang des 19. Jahrhunderts mal als ein sehr heterogenes Gemenge aus unterschiedlichsten Biografien entstanden ist, wurde in den 1840er Jahren, unter anderem durch Marx selbst, zugunsten der politischen Hegemonie des doppelt freien, männlichen Alleinversorgers aus dem Selbstverständnis der Arbeiterinnenbewegung getilgt.[v] So nahm der Industriearbeiter, in Konkurrenz zu seinen weiblichen Kolleginnen, eine zentrale Stellung innerhalb eines immer dynamischer werdenden Produktionsverhältnisses ein, bis hin zu seiner Idealisierung als revolutionäres Subjekt. In sozialdemokratischer Einhegung erkämpfte sich dieses Subjekt jedoch nicht mehr als den bekannten Klassenfrieden aus patriarchaler Kleinfamilie, Gartenzaun und Wohlfahrtsstaat. Wo dieser Klassenfrieden heute bröckelt, sind es nicht notwendigerweise Abgehängte und Pauperisierte, die sich als Erste zu „reaktionären Umtrieben“ hinreißen lassen.

Überflüssig ist ein Anderer

Die Analyse, dass heute informelle Arbeitsverhältnisse, außerhalb der Inseln des privilegierten Stamm-Proletariats, zum bestimmenden Bild werden, ist in Soziologie und Feuilleton weit verbreitet. Die Phänomene der relativen Surplus-Bevölkerung erscheinen dort zergliedert in empirisch fassbare, soziale Gruppen, die durch Migration, Praktikum oder als Freelancerinnen die prekäre Abweichung zum Normalarbeitsverhältnis bebildern.[vi] Die krisengetriebene, von Finanzblase zu Finanzblase wankende, globale Ökonomie der Gegenwart wird allerdings von allen Arbeitenden geteilt, wenn auch in je spezifischer Weise, aber eben doch nie voneinander getrennt. Marx analysierte flüssige, latente und stagnierende Bereiche der relativen Überschussbevölkerung und verwies damit auf ein breites Spektrum fragmentierter Lebensrealitäten, die mehr oder weniger dynamisch zwischen den Polen von Beschäftigung und Arbeitslosigkeit oszillieren. Diese Phänomene der relativen Surplus-Bevölkerung haben sich mittlerweile soweit ausgedehnt, dass sie sich heute weder soziologisch noch geographisch auf bestimmte Gesellschaftsschichten, Banlieues oder Slums begrenzen lassen.

An das Proletariat des 19. Jahrhunderts wurden Erwartungen einer progressiven sozialen Integration in die industrialisierte Produktion geknüpft, während dem Sub- und Lumpenproletariat herabwürdigend das Gegenteil zugesprochen wurde. Rosa Luxemburg verwies 1918 in einer Notiz zu ihrer Kritik der Leninschen Revolutionstheorie treffend auf den politischen Trugschluss dieser Trennung: „Das lumpenproletarische Element haftet tief der bürgerlichen Gesellschaft an, nicht nur als besondere Schicht, als sozialer Abfall, der namentlich in Zeiten riesig anwächst, wo die Mauern der Gesellschaftsordnung zusammenstürzen, sondern als integrierendes Element der gesamten Gesellschaft.“[vii] Die Kategorie des Surplus-Proletariats verweist heute auf die Tendenz einer gesamtgesellschaftlichen Verschiebung sozialer Integration, hin zu den Lebensrealitäten der relativen Überschussbevölkerung – diese vollzieht sich, auch ohne den von Luxemburg angedeuteten Zusammenbruch, ganz alltäglich, im ökonomischen Normalvollzug kapitalistischer Akkumulation. Das heutige Niveau der Entwertung von Arbeitskraft kann nicht mehr nur in Bezug auf eingrenzbare Bevölkerungsgruppen verhandelt werden – weder im Sinne einer ausgelagerten Reservearmee noch als empirisch eingrenzbare Milieus von Abgehängten, Überflüssigen oder prekär Beschäftigten – zumindest nicht ohne das Risiko einzugehen, einem Interklassismus Vorschub zu leisten, der die Angst vor dem eigenen Überschüssig-Werden mit der ökonomischen Überflüssigkeit anderer erklärt.

Identitätskrisen

Die Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2007/2008, führte zu einem regelrechten Revival des Begriffs der Klasse. Das deutet zunächst einmal darauf hin, dass die Entwicklungen der jüngsten Vergangenheit nicht mehr mit den üblichen links-liberalen Fortschrittsversprechen und ihrem „Abschied vom Proletariat“[viii] vereinbar sind. Oftmals ging es dabei jedoch nicht um Klasse als gesellschaftliches Verhältnis sondern, um nostalgische Identitätskonzepte. Von Donald Trumps White Working Class über Didier Eribons abgehängte Anhängerinnen der Kommunistischen Partei Frankreichs bis hin zu Sarah Wagenknechts Einsammlungsversuchen ehemaliger Linksparteiwähler – hoch im Kurs steht die Suche nach den kleinen Leuten, die angeblich nicht mehr von der Parteienlandschaft repräsentiert werden und sich deshalb nach rechts Außen verirrt hätten. Ob der um sich greifende Rechtsruck wirklich in diesen Schemata analysiert werden kann, ist mehr als fraglich. Zumindest am Beispiel der AfD zeigen fundiertere Analysen, dass ihr Wählerklientel gerade nicht auf Geringverdienenden aufbaut.[ix] Der überproportionale Anteil von AfD-Unterstützern ist ausländerfeindlich und Teil der selbsternannten Mittelschicht, die als Erbinnen des Nachkriegsaufschwungs wenig für ihren relativen Wohlstand getan haben und nun in geflüchteten Newcomern eine potentere, mobilere Konkurrenz erahnen. Zugleich erkennen sie in den Geflüchteten des Südens, die strukturell immer näher rückende Entwertung und Ersetzbarkeit, das Überschüssig-Werden, der eigenen Arbeitskraft. Statt diese Einsicht in eine konsequente gesellschaftliche Perspektive zu übersetzen, ziehen die heimatbewussten Prolls der Mitte es vor, ihre ohnehin bröckelnden Gartenzäune gegen die imaginierte Gefahr von außen zu verteidigen.

Aber auch in sich als linksradikal verstehenden Zusammenhängen wird fleißig an identitären Klassenkonzepten gebastelt, um klar abgrenzbare Klassenfeinde zu benennen. Opportun ist dabei was zumindest rhetorisch die eigene Position stärkt – 99% gegen 1%, rechtschaffende Arbeitnehmerinnen gegen die Finanzelite, usw. Dabei generiert das Kapital bekanntlich Interessenskonflikte, die nicht nur zwischen Arm und Reich verlaufen, sondern auch innerhalb der Klassen, zwischen Lohnabhängigen, Gewerkschaften, oder eben dort, wo die Erben des Nachkriegswohlstands meinen ihre Pfründe gegen Arbeitslose und Geflüchtete abschotten zu müssen. Wenn die Parole „Klasse gegen Klasse“ allzu oft holzschnittartig dichotome Gegenüberstellungen von Oben und Unten beschwor, geht sie heute auf im allgemeinen Hauen und Stechen der sich klassenlos fühlenden Klassengesellschaft. Auch der Kapitalist, der nach altem Bild frei über Firmen in seinem Besitz verfügen kann, ist mittlerweile tief verwoben in komplexe Landschaften aus Vorständen und Management-Etagen, verwaltet dort als Angestellter große Firmen oder eine ihrer zahlreichen Sub- und Franchiseunternehmen, und wird gerade in Krisenzeiten regelmäßig selbst ausgetauscht. Das Kapitalverhältnis ist und bleibt ein wild wucherndes Verwertungsprinzip, das sich jeder Kontrolle, auch der vermeintlich herrschenden Klasse, entzieht.

Ohnmacht und Klassenfrieden des Surplus-Proletariats

Die Verhandlungsmacht der alten Arbeiterbewegung wurde über demokratische bis korporatistische Formen der Betriebsteilhabe moderiert. Heute weichen diese Handlungsoptionen zunehmend der Ohnmacht, sich der Produktion immer weniger über die traditionellen Partizipationsformen der Sozialdemokratie ermächtigen zu können. Ebenso ohnmächtig stehen dieser Aufgabe identitär gewendete Klassenbegriffe, „prekäre“ Soziologismen und andere Nostalgieträger vergangener und schwindender Wohlfahrtssysteme gegenüber. Proletariat und Bourgeoisie stehen in einem Verhältnis zueinander, dessen Abschaffung nicht die Abschaffung eines Gegenübers meint, sondern vielmehr die gesellschaftliche Selbstüberwindung der eigenen internen Funktionen. Auch wenn das Ende der Klassengesellschaft nicht ohne Vergesellschaftung der Produktion auskommen wird, kann das Ziel nicht in der Errichtung eines neuen Regimes der Produktion liegen, sondern in einer neuen gesellschaftlichen Lebensweise, die es allen erlaubt und abverlangt, die eigenen Funktionen und Daseinsbedingungen, die eigene Angst vor Veränderung, hinter sich zu lassen. Bei aller Frustration geht es also weiterhin darum, die Perspektiven einer Klassenpolitik zu diskutieren, die in der Selbstabschaffung des Proletariats den Ausgangspunkt einer klassenlosen Weltcommune erkennen lassen. Dabei verweist das Proletariat der Gegenwart, jenseits identitärer Fraktionierungen, auf die gemeinsam geteilte Realität überschüssig-werdender Arbeitskraft. Das Surplus-Proletariat ist kein revolutionäres Subjekt, es verdeutlicht vielmehr die Hintergründe der politischen Verelendung und Fragmentierung gegenwärtiger Arbeits- und Lebensverhältnisse. Das Surplus-Proletariat ist überschüssig, relativ zur Produktion, bis es diese besetzt, einstellt, aufhebt und umwandelt in eine neue realistischere Lebensperspektive.

Surplus Club, Frankfurt am Main, Januar 2019

 

[i] Karl Marx, Das Kapital, MEW 23

[ii] Karl Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, MEW 42

[iii] Karl Marx, Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte, Kap. V, MEW 8

[iv] Karl Marx und Friedrich Engels, Manifest der Kommunistischen Partei, MEW 4

[v] Patrick Eiden-Offe, Der Prolet ist ein Anderer. Klasse und imaginäres Heute, Merkur, 2018; ausführlicher in: Patrick Eiden-Offe, Die Poesie der Klasse – Romantischer Antikapitalismus und die Erfindung des Proletariats, Matthes & Seitz Berlin, 2017

[vi] Mit der Empirie des Surplus-Proletariats haben wir uns bereits ausführlich in „Trapped at a Party Where No One Likes You“ (2015) auseinandergesetzt:
https://surplus-club.com/2015/11/19/trapped-at-a-party-where-no-one-likes-you/

[vii] Rosa Luxemburg, aus einer Randnotiz im Anhang von: Zur Russischen Revolution, 1918 –– siehe: https://www.marxists.org/deutsch/archiv/luxemburg/1918/russrev/index.htm.

[viii] André Gorz: Abschied vom Proletariat. Jenseits des Sozialismus. Überarbeitete Neuaflage. Frankfurt a.M. 1988

[ix] Martin Schröder, AfD-Unterstützer sind nicht abgehängt, sondern ausländerfeindlich, The German Socio-Economic Panel Study, DIW Berlin, 975-2018

Kosmoprolet #5, La Banda Vaga: Thesen zum Islamismus

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Am 7. Juni 2018 um 19:00 im Falkenhaus – Rödelheimer Straße 14, 60487 Frankfurt am Main

Anlässlich der Veröffentlichung des neuen Kosmoprolet #5 haben wir La Banda Vaga aus Freiburg eingeladen ihre im neuen Heft abgedruckten Thesen zum Islamismus zur Diskussion zu stellen:

La Banda Vaga zu den materiellen und historischen Grundlagen des Islamismus.

Der Islamismus ist ohne Frage eines der zentralen Themen der Gegenwart. Die journalistische und wissenschaftliche Flut an Interpretationen und Theorien ist kaum noch zu überschauen, lediglich brauchbare materialistische Analysen tauchen wenn überhaupt nur vereinzelt auf. Dies führt, auch unter Linken, nicht selten zu katastrophalen politischen Einschätzungen: Für die einen sind zumindest bestimmte islamistische Gruppierungen Ausdruck eines berechtigten antiimperialistischen Widerstandes, andere wiederum wollen dem Islamismus im Schulterschluss mit Staat und Militär mit „westlichen Werten“ entgegentreten. Beides ist unserer Ansicht nach verfehlt. Darum haben wir den Versuch unternommen, uns dem Phänomen mit einigen Thesen über die materiellen und historischen Grundlagen des Islamismus sowie zu den daraus resultierenden politischen Konsequenzen anzunähern. Diese Thesen, die im neuen Kosmoprolet #5 veröffentlicht sind, würden wir gerne mit euch diskutieren.

Der neue Kosmoprolet #5 wird nach der Veranstaltung käuflich zu erwerben sein.

 

Workshop: Willkommen im Surplus-Proletariat

Surplus

Samstag, 19. Dezember, 14:00 – 19:00

Türkisches Volkshaus Frankfurt e. V.
Werrastraße 29, 60486 Frankfurt-Bockenheim

Anmeldung zur Workshop-Teilnahme bitte bis 07.12.2015 per Email an
hello@surplus-club.com

In diesem Workshop werden wir genauer auf den Begriff des Surplus-Proletariats eingehen, ausgehend von entsprechenden Texten der Freundinnen und Freunde der Klassenlosen Gesellschaft (Berlin) und des Surplus Club (FfM). Beide in den letzten Monaten erschienen Texte setzen sich mit der zunehmenden Entwertung der Arbeitskraft und der entsprechenden Produktion relativer Surplus-Bevölkerung auseinander, deren Aussichten auf soziale Integration durch Staat und Kapital gänzlich ungeklärt bis aussichtslos bleiben.

Nach einer Vorstellung und Diskussion beider Texte und insbesondere ihrer Diagnosen bezüglich des Verhältnisses von Kapital und Arbeit, möchten wir in einer offenen Diskussion den Fokus auf die Rolle des Staates in der Auseinandersetzung mit dem Surplus-Proletariat lenken. Aktuelle Formen von Repression, Austerität, Quantitative Easing und Defizit Finanzierung werfen die Frage auf, inwieweit und in welchen Kontexten die staatliche Vermittlung zwischen Kapital und Arbeit immer stärker in die Krise gerät? Wie äußert sich diese Entwicklung in politischer Programmatik staatlichen Handelns? Wie steht es um die soziale Reproduktion des Proletariats? Welche Konsequenzen ergeben sich aus dieser Analyse für eine materialistische Kritik des Staates?

Dazu wollen wir drei kurze Texte diskutieren die hier zum Download zur Verfügung stehen:
https://www.dropbox.com/sh/vp2k3ycdt16ufwm/AACfMghNFJSQbuPxtrq__dZIa?dl=0

Teilnehmen werden u.a. die Freundinnen und Freunde der Klassenlosen Gesellschaft (Berlin), Translib Leipzig, AKK FFM.

Buchpräsentation – Kosmoprolet #4

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„Es fehlt ein Plan, der mehr ist als eine bloße Absichtserklärung.“

mit Freundinnen und Freunde der Klassenlosen Gesellschaft (Berlin)

Freitag, 18. Dezember um 19:30

im Café Koz, Campus Bockenheim, Mertonstraße 26, 60325 Frankfurt am Main, https://goo.gl/maps/M1nVtnPSmv62

 

Editorial

Das Jahr 2011, in dem die Leute an vielen Orten in Scharen auf die Straße und manchmal auf die Barrikaden gingen, wurde oft mit 1968 verglichen. Kommentatoren, denen Revolutionsromantik fern liegt, stellten verblüfft fest, dass weltweit sogar erheblich mehr Menschen in Bewegung geraten waren als im legendären Jahr der Revolte. Seitdem hat sich die Lage bekanntlich je nach Land eingetrübt oder pechschwarz verfinstert. Wo 2011 Plätze besetzt wurden, wie in Europa, herrscht wieder der bekannte Alltagstrott, ohne dass sich an den Gründen zum Aufbegehren etwas geändert hätte. Wo Diktaturen gestürzt oder wenigstens ins Wanken gebracht wurden, wie in der arabischen Welt, herrscht heute fast ausnahmslos das Militär oder ein Bürgerkrieg unter reger Beteiligung von Djihadisten. Aus dem großen Aufbruch ist nichts geworden, zumindest nichts Gutes. Fast scheint die Regel zu gelten, dass die Misere umso größer ist, je weiter die Rebellierenden gegangen sind. Stillhalten wird zwar nicht belohnt, aber wenigstens auch nicht bestraft.

Trotzdem plagt die Sachwalter der Ordnung weiter das Gespenst der Revolte. »Die Situation erinnert mich an 1968«, unkte ein hohes Tier des europäischen Staatenkonglomerats, als die Griechen neulich dem Spardiktat mehrheitlich ein Oxi entgegenhielten. »Es gibt in Europa eine weitverbreitete Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen, die schnell in eine revolutionäre Stimmung umschlagen kann. Es wird die Illusion erweckt, es gebe eine Alternative zu unserem Wirtschaftssystem, ohne Sparpolitik und Einschränkungen. Das ist die größte Gefahr, die von Griechenland ausgeht.«1

Der Befund stimmt nur zur Hälfte und darin liegt das Problem. An der weitverbreiteten Unzufriedenheit besteht kein Zweifel, zumindest für Griechenland kommt das Wort sogar einer gewaltigen Beschönigung gleich, schließlich hat dort in den letzten Jahren angesichts massenhaften Elends schiere Verzweiflung um sich gegriffen. Dass bereits die bescheidene Hoffnung, wenigstens nicht noch weiter zu verarmen, in der politischen Klasse die Alarmglocken schrillen lässt, sagt einiges. Eine Alternative zum existierenden Wirtschaftssystem aber hat anders als 1968 niemand aufgeworfen, die Protestierenden von 2011 so wenig wie die Athener Linksregierung von 2015. Beide eint vielmehr der Glaube, die drastischen Einschnitte ließen sich prinzipiell innerhalb der jetzigen Ordnung vermeiden, und ein Absehen von weiteren Kürzungen bei Renten, Löhnen, Staatsjobs wäre für diese Ordnung – Stichwort Massenkaufkraft – sogar von Vorteil. Insofern ist Syriza tatsächlich die Fortsetzung der Proteste mit anderen Mitteln; eine Fortsetzung ihrer Illusionen, mit Mitteln, die all das abschneiden, was an ihnen trotz dieser Illusionen vorwärtsweisend war: Selbstorganisation, Missachtung der Gesetze, direkte Aneignung, Konfrontation mit der Staatsmacht.

Selten hat sich die Linke an der Macht schneller und gründlicher blamiert als diesen Sommer in Athen. Allerdings in einer Weise, die den Traum von einer Krisenbewältigung mit menschlichem Antlitz nicht zwangsläufig platzen lässt. Denn das Programm der Linken kam gar nicht erst zum Zuge, der Crashtest in den Mühlen des Weltmarkts ist ihm erspart geblieben. Die Gläubiger, allen voran der deutsche Staat, haben die griechische Regierung mit so unerbittlicher Härte zur Kapitulation gezwungen, dass die Linken auf einen Schuldigen zeigen können. Gäbe es Wolfgang Schäuble nicht, der ungerührt den Blockwart der europäischen Staatsfinanzen macht, die Linke müsste ihn erfinden: ein herzloser Technokrat und ein Deutscher noch dazu. Und es stimmt ja, dass jeder minimale Verhandlungserfolg vom Team Tsipras die miserable Lage der griechischen Bevölkerung, wenigstens kurzfristig, etwas gelindert hätte; und schon seit einer Weile halten nicht nur Linke, sondern selbst stramme Marktliberale die federführend von Deutschland durchgeboxte Sparpolitik in Europa für fragwürdig. Ironischerweise bekommt die griechische Regierung im Drängen auf einen Schuldenschnitt ausgerechnet vom IWF Rückendeckung; jedes Kind weiß, dass der griechische Schuldenberg niemals abzutragen sein wird, und seit Beginn der Troika-Programme ist er gewachsen, nicht geschrumpft.

Aber gerade dass der linke Realismus in dieser konkreten Frage ausnahmsweise tatsächlich realistisch ist, die griechische Nationalökonomie also ohne Atempause kaum auf die Beine kommen wird, verdeckt, dass er es grundsätzlich keineswegs ist. Natürlich wirken Kürzungen der Staatsausgaben zumindest kurzfristig krisenverschärfend, gerade in einem Land wie Griechenland, wo der öffentliche Sektor größeres Gewicht hat. Die Alternative der kreditfinanzierten Staatsprogramme bietet auf Dauer aber auch keine Lösung und mehr haben Syriza & Co. nicht im Angebot. Natürlich ist es Ideologie, dass Lohnsenkungen zwangsläufig die Konjunktur wieder ankurbeln, denn möglicherweise besteht auch an einer billigeren Arbeitskraft schlicht kein Interesse – wovon zig Millionen Menschen auf der Welt ein Lied singen können. Aber Lohnerhöhungen zu empfehlen, da sie doch die Nachfrage stärken, ist erst recht Humbug, denn wenn das Kapital die Nachfrage nach seinen Waren quasi selbst bezahlen muss, könnte es sie auch gleich verschenken.

Dass selbst staatskritische Genossinnen nach dem Wahlsieg von Syriza jubiliert haben, endlich könne man wieder über Kapitalismuskritik in Europa sprechen, obwohl ein Varoufakis unzweideutig erklärt hatte, angesichts der faschistischen Gefahr gelte es den Kapitalismus vor sich selbst zu retten, ist skurril – und die nun einsetzende Debatte darüber, ob ein Grexit nicht das kleinere Übel wäre, ist es allemal. Während Linke in Deutschland unter immer größeren Verrenkungen am Bündnis von Staat und Bewegungen, von »regierender und kämpfender Linker« festhalten, rufen in Athen Leute zu »Versammlungen von Arbeitern und Arbeitslosen« gegen die Regierung auf, um über Streiks und sonstige Gegenwehr zu beratschlagen. Der »regierenden Linken« wird über kurz oder lang wenig übrig bleiben, als der »kämpfenden« eins auf den Deckel zu geben, denn Ruhe und Ordnung sind gerade in der derzeitigen Situation oberstes Gebot. Momentan steht eher nicht zu erwarten, dass ein neuer Aufschwung der Kämpfe gerade von Griechenland ausgehen wird; die Leute dort sind aus offenkundigen Gründen erschöpft. Trotzdem liegt in einer autonomen Versammlung selbst nur einiger Dutzend klarsichtiger Proletarier eher ein Versprechen von Emanzipation als in einer Linkspartei mit Millionen Wählern. Denn in dem auf Dauer furchtbar langweiligen Streit zwischen Neoliberalen und Keynesianern haben Radikale nichts zu gewinnen. Er bewegt sich durchweg auf dem Boden der gegebenen Verhältnisse, das heißt er betrifft allein die Frage, wie man den Laden wieder flott machen kann – ein Streit um Mittel, nicht um Zwecke.

Wie wir schon öfter bemerkt haben, kennzeichnet kaum etwas die heutige Situation so sehr wie die Tatsache, »dass die Flaute des Reformismus und das Ende des Staatssozialismus keineswegs einem wirklichen Bruch mit den Verhältnissen den Weg gebahnt haben«; es besteht »eine vollständige Ohnmacht, eine neue gesellschaftliche Ordnung ins Auge zu fassen«2, weshalb die Sachwalter der jetzigen, wenn sie eine »revolutionäre Stimmung« befürchten, leider daneben zu liegen scheinen. Selbst 2011 war eine solche allenfalls dort gegeben, wo in Gestalt kleptokratischer Diktatoren eine konkrete Zielscheibe existierte. Die Mauer, an der alles abprallt, ist die allseitige Abhängigkeit aller Einzelnen voneinander und damit vom bestehenden System, das dieser Abhängigkeit, wie ungenügend und krisenhaft auch immer, die einzige bislang bekannte Form gibt. Gerät das System aus den Fugen, wagt niemand den Schritt ins Freie, sondern heften sich alle ans Gegebene. Kämpfe werden heute viel seltener niedergeschlagen, als sie vor dieser Mauer von sich aus kehrtmachen. Wenn die griechische Bevölkerung weitere Sparmaßnahmen in einer Volksabstimmung ablehnt, um kurz darauf ein noch drastischeres Paket zu schlucken, illustriert sie dies genauso wie die pauperisierten Massen in Ägypten, die 2011 unter Einsatz ihres Lebens Mubarak zum Teufel gejagt haben, nur um zweieinhalb Jahre später den Staatsstreich seiner Militärkumpanen zu bejubeln. Schon weil sie nicht wissen, was danach kommt, haben die Proletarier heute genauso viel Angst vorm Zusammenbruch wie die Herrschenden, die nicht wirklich herrschen, sondern nur noch das aus ihrer scheinrationalen Ordnung erwachsende Chaos einzudämmen versuchen. Diese Angst scheint früher oder später alle zur Räson zu bringen.

Leichtes Spiel haben in dieser Situation diejenigen, die dem Kapitalismus zwar auch nicht entfliehen können, aber doch mit dem Heiligenschein einer ganz anderen Ordnung auftreten und nicht mal vor dem Tod Angst haben, also die militanten Islamisten. Waren wir blauäugig, als wir 2011 mit Blick auf den arabischen Frühling schrieben, es werde wohl kaum »am Ende wie 1979 im Iran ein klerikales Terrorregime stehen«, denn die »Masse der Jugendlichen, der Schrittmacher der Bewegung, interessiert sich (…) weniger für islamische Moral als für Freiheit und Reichtum«?3 Ja und nein. Weder in Tunesien noch in Ägypten konnten sich die mit moderatem Anstrich auftretenden Islamisten an der Macht halten. Ob dies nun ihrem der islamischen Moral entspringenden Drang, Freiheiten einzuschränken, oder ihrer Unfähigkeit, an der wirtschaftlichen Misere auch nur ein Jota zu ändern, geschuldet war, sei dahingestellt. Und auch ihr türkisches Vorbild hat im Gefolge der Taksimplatz-Bewegung an Zuspruch verloren. Triumphiert hat der Islamismus in den vergangenen Jahren nicht als soziale Massenbewegung, sondern in Gestalt terroristischer Rackets, als Djihad. Es sind einige Tausend aus vieler Herren Länder, die sich als Schlächter in den Dienst des neuen Kalifats stellen, aber nicht Millionen. Ob das so bleibt, wissen wir nicht, und es ist ja so schon schlimm genug; erst recht nicht setzen wir irgendein Vertrauen in die Geschichte, mit dem bereits die Linke in den 1930er Jahren gegenüber dem Nationalsozialismus versagt hat. Optimismus ist schon deshalb fehl am Platz, weil die Djihadisten überall dort Aufwind bekommen, wo die Ordnung implodiert, und das Chaos gerade im Nahen Osten sich eher ausbreiten dürfte. Die Stabilität, die die Staatslenker immer weniger herstellen können, interessiert sie unter den gegebenen Umständen gar nicht, anders als zum Beispiel die konservativen Muslimbrüder. Solche Staatsislamisten zu analysieren, bereitet einem nicht unbedingt Kopfzerbrechen: Ein Teil des Bürgertums versucht den Klassenkampf durch die Beschwörung der Gemeinschaft der Gläubigen zu exorzieren, denunziert den westlichen Materialismus, bekämpft die Massenarbeitslosigkeit vornehmlich durch Verdrängung der Frauen an den Herd, macht ein bisschen Armenfürsorge und stiftet Einheit durch Gepolter gegen Israel; ein stockreaktionäres Programm, dessen Herrschaftsrationalität aber unschwer zu entziffern ist, ja auf der Hand liegt. Wie aber verhält es sich mit den Djihadisten? Sicherlich zielen sie – zumindest teilweise – ebenfalls auf eine stabile Ordnung, wie sie im Herrschaftsgebiet des Islamischen Staates auch durchgesetzt wird. Aber der heilige Krieg ist für sie nicht nur Mittel zum Zweck, sondern geradezu ihr Lebenselixier, und was man über ihre Freiwilligen oder auch die Pariser Attentäter lesen kann, entspricht dem Klischee des armen Würstchens, das seinen großen Auftritt notfalls eben als Suicide Bomber hat, aber auch bei den Hell’s Angels hätte landen können, wie ein reuiger Syrienheimkehrer kürzlich bekannte. Vielleicht ist die ganze Ideologie hier nur fadenscheinige Rationalisierung blanker Mordlust und anderer niederer Bedürfnisse und statt Marx müsste man eher Freud konsultieren, zumal die Selbstermächtigung der Djihadisten zuallererst eine über den Frauenkörper ist (womit sie in Kriegssituationen freilich nicht alleine stehen). Die materialistische Analyse des heutigen Islamismus ist noch zu schreiben.4

Als der Krisenschlamassel einsetzte, hatten wir an dieser Stelle die Bildung eines »sozialrevolutionären Pols« ins Auge gefasst. Auch daraus ist nichts geworden. Zwar steht man in der hiesigen Linken nicht mehr sofort als der Klassenclown da, wenn man auf der antagonistischen Verfasstheit der Gesellschaft besteht und in Streiks mehr erkennt als ein belangloses Gerangel zwischen »Warensubjekten« oder ähnliches. Es sind auch hier und da neue Zirkel aufgetaucht, die abseits von ML-Gerümpel über Klassenkämpfe und Selbstaufhebung des Proletariats diskutieren.5 Die Debatten der Linken sind überhaupt etwas weniger weltabgewandt-gespenstisch als vor der Krise. Aber es klemmt weiter vor allem bei dem, was traditionell Praxis heißt. Dass uns die großen Mobilisierungen zu Aktionstagen, auf dass es wenigstens mal wieder scheppere, die riesige Mühe nicht wert zu sein scheinen, haben wir schon öfter bekundet, und die mehr oder weniger linksradikalen Organisationen, die seit einiger Zeit mit Eifer aufgebaut werden, suchen offenbar vor allem in solchen Mobilisierungen ihre Daseinsberechtigung. Darauf herumzuhacken ist aber langweilig und verdeckt oft nur die eigene Ratlosigkeit. Es fehlt ein Plan, der mehr ist als eine bloße Absichtserklärung.

Eiszeit, Schweiz
Freundinnen und Freunde
der klassenlosen Gesellschaft, Berlin
La Banda Vaga, Freiburg
www.kosmoprolet.org

August 2015

1. Donald Tusk, EU-Ratspräsident, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.7.2015.
2. Freundinnen und Freunde der klassenlosen Gesellschaft, Die Ordnung herrscht in Kairo, in: dies. (Hg.), Vier Jahre Wirren in Ägypten, Berlin 2015, 5.
3. Dies., Arabischer Frühling im Herbst des Kapitals, Kosmoprolet 3 (2011), 17.
4. Ein interessanter älterer Versuch, den wir für einen Abdruck in Betracht gezogen hatten, ist Lafif Lakhdar, Warum der Rückfall in den islamischen Archaismus? (1981). Er findet sich, zusammen mit einigen Kommentaren, in deutscher Erstübersetzung auf unserer Webseite.
5. Zum Beispiel Translib Leipzig sowie der Surplus Club und die Antifa Kritik & Klassenkampf in Frankfurt am Main.

http://www.kosmoprolet.org/kosmoprolet-4-ist-erschienen

 

Trapped at a Party Where No One Likes You (DE)

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Die Betrachtung von Arbeitslosigkeit, sozialer Exklusion oder Prekarität kann nicht bei der empirischen Frage nach den Lebensbedingungen der betroffenen Gruppen stehen bleiben, denn als soziologisch gefasste Identitäten sind sie lediglich Erscheinungsformen oder Momente der Totalität von Kapital und Arbeit. Die gegenwärtige Reproduktion dieses Verhältnisses vollzieht sich dabei in der Entwertung der Ware Arbeitskraft durch die Kategorie des Surplus-Proletariats.

 

Einleitung

Auch im Jahr 2015 werden Hoffnungen auf eine Erholung der Arbeitsmärkte fortwährend nach unten korrigiert.[1] Die fadenscheinige Apologetik, neue Jobs würden eine Wende bei den Arbeitslosenzahlen einläuten, beißt sich mit den laufend revidierten Wachstumsprognosen, in denen die Schwäche sowohl der Länder mit hohem BIP wie auch der Schwellenländer zum Ausdruck kommt. Trotz beispielloser Konjunkturprogramme und Liquiditätsspritzen ist die globale wirtschaftliche Dynamik seit der Krise von 2007/08 bestenfalls mäßig ausgefallen. Die Investitionen stagnieren weitgehend, im Energiesektor wurden sie zuletzt dramatisch zurückgefahren.[2] Selbst Chinas Wirtschaft stottert und zeigt einen nachlassenden Rohstoffhunger.[3] Auch die vermeintliche Erfolgsgeschichte Deutschlands ist weniger Ausdruck nachhaltigen Wachstums als vielmehr Teil eines Prozesses prekärer Kapitalkonzentration einer im rapiden Niedergang befindlichen Eurozone.[4] Unterdessen setzt die Weltwirtschaft eine hemmungslose Verschuldung fort[5], die gemessen am BIP weiter wächst; in den entwickelten Ländern sind die öffentlichen und privaten Schulden laut dem International Centre for Monetary and Banking Studies 2013 auf 272 Prozent des BIP gestiegen.[6] Die jüngsten Deflations-Warnungen deuten daraufhin, dass die Schulden von Staaten, Unternehmen und Privathaushalten noch erdrückender werden könnten. Zu den höheren Haushaltsdefiziten kommt seit 2010 hinzu, dass die Zentralbanken mit frisch gedrucktem Geld Staats-, Unternehmens- und Immobilienanleihen aufkaufen – das sogenannte Quantitative Easing. Nach der Federal Reserve, der englischen und der japanischen Notenbank ist zuletzt auch die Europäische Zentralbank zu dieser Politik übergegangen, obwohl sie sich bislang nicht als wirksame Antwort auf nachlassendes Wirtschaftswachstum erwiesen hat. Stattdessen fließt das neu geschöpfte Geld in das Bankensystem, wo es die Bilanzen des Finanzkapitals stützt und Blasen bei den Vermögensposten verstärkt.

In diesen Phänomenen drückt sich die gegenwärtige Krise der Kapitalakkumulation aus, die zugleich eine Krise der Reproduktion des Verhältnisses von Kapital und Arbeit ist. Mit der Restrukturierung der Wirtschaft seit den 1970er Jahren wurden die Arbeitsmärkte flexibilisiert und die Rahmenbedingungen des Klassenverhältnisses grundlegend verschoben. Während die Arbeitslosigkeit in der Nachkriegsperiode relativ niedrig blieb – und der Sozialstaat gewisse Sicherheiten bot –, erfuhr die Entwicklung der Kapitalakkumulation einen beispiellosen Anstieg von Erwerbslosigkeit und Unterbeschäftigung.[7] Seit den frühen 1970er Jahren ist die kapitalistische Produktionsweise darauf ausgerichtet, durch die Auflösung des keynesianischen Deals, der Löhne und Produktivität aneinander koppelte, einem schmerzhaften Rückgang der Gewinne entgegenzuwirken. Um die Tendenz des Kapitals zur Untergrabung seines Selbstverwertungsprozesses hinauszuzögern, wurde eine Umstrukturierung in Gang gesetzt, die auf Expansion des Finanzkapitals und Steigerung der Ausbeutungsrate hinauslief. So eröffnete das 21. Jahrhundert mit dem Diktat der Abwertung von Arbeitskraft, was die beschriebenen Entwicklungen nur verschärft, und zusammen mit in Austerität mündenden Finanz- und Staatsschuldenkrisen die fortschreitende Verelendung intensivieren wird.

Die Krise von 2007/08 hat die materiellen Bedingungen der Lohnarbeit weiter verschlechtert; in den USA zum Beispiel liegt die Erwerbsbeteiligung auf dem niedrigsten Stand seit 36 Jahren[8], trotz der gefeierten Schaffung von Niedriglohnjobs. Für denjenigen Teil des Proletariats, der weder arbeitslos noch vollständig aus der aktiven Erwerbsbevölkerung herausgefallen ist – und somit in den Arbeitslosenstatistiken kaum noch auftaucht –, sind überwiegend prekäre und informelle Beschäftigungsformen ohne festes Einkommen im Angebot: Leih-, Teilzeit- und Saisonarbeit oder Selbständigkeit. Der gegenwärtige Überschuss an Kapital, welcher keine dauerhaften Investitionsmöglichkeiten mehr findet, verstärkt den effektiven Rückgang des Bedarfs nach Arbeitskraft. In der Kritik der politischen Ökonomie erfährt dieses Phänomen seinen systematischen Ausdruck im »allgemeinen Gesetz der kapitalistischen Akkumulation« (Marx): Mit dem Wachstum des Gesamtkapitals, das aus der Steigerung der Produktivität der Arbeit folgt, wird, gemessen an den Erfordernissen des Verwertungsprozesses, ein Großteil der Arbeitskraft überflüssig. Diese Tendenz entsteht aus dem Wesen des Kapitals schlechthin.[9] Es entfaltet die Arbeit als Anhängsel seines eigenen produktiven Vermögens und verringert die Menge notwendiger Arbeit, wodurch die Mehrwertrate erhöht wird. Relativ nimmt die Menge erforderlicher notwendiger Arbeit daher beständig ab. Dies vollzieht sich durch die wachsende organische Zusammensetzung des Kapitals: Die Konkurrenz zwischen den Einzelkapitalen bedingt eine Verallgemeinerung arbeitssparender Technologien wie der Automatisierung und führt so zu einer relativen Abnahme der Nachfrage nach Arbeitskraft.[10] Die Produktion dieser relativen Überschussbevölkerung ist gleichbedeutend mit einer Entwertung der Arbeitskraft insgesamt in Form einer Verdrängung der Arbeit aus dem Produktionsprozess sowie der Unmöglichkeit, sie durch die üblichen rechtlich regulierten Kanäle zu absorbieren. Wenn die Arbeitskraft des Proletariats sich nicht realisieren kann – wenn sie für die Realisierung des Kapitals nicht notwendig ist –, dann erscheint sie außerhalb der Bedingungen ihrer eigenen Reproduktion gesetzt. Die Reproduktion des Proletariats gerät in eine Krise; die Bedürfnisse sind allgegenwärtig, doch es mangelt ihm an Mitteln, diese angemessen zu erfüllen.[11]

Wie Freundinnen und Freunde angemerkt haben[12], ist die Überschussbevölkerung ein notwendiges Produkt der Kapitalakkumulation und somit eine strukturelle Kategorie, die sich aus dem Verhältnis von notwendiger Arbeit und Mehrarbeit ergibt. Diese Tendenz ist immer schon gegeben und unabhängig von seiner jeweiligen historischen Gestalt konstitutiv für das Kapitalverhältnis. Was rechtfertigt es dann, sie gerade in der gegenwärtigen Konstellation zu betonen? Schließlich ist der Gedanke einer Überschussbevölkerung bereits im »Begriff des freien Arbeiters« angelegt: in diesem »liegt schon, dass er Pauper ist: virtueller Pauper« (Grundrisse). Zu zeigen ist, warum die relative Überschussbevölkerung paradigmatisch für das Klassenverhältnis der Gegenwart ist und was dies für die heutigen Formen des Klassenkampfs bedeutet.

 

Die Schwierigkeit einer Kategorie

Mit der Umstrukturierung der 1970er Jahre hat sich das spektakuläre Bild von wachsendem Wohlstand und Vollbeschäftigung, von einer immer stärkeren Integration in die Sphären von Produktion und Konsumtion, umgekehrt. Seitdem steht der unverminderten Zentralität der Produktion eine strukturell geschwächte Position der Beschäftigten gegenüber. In den Nachkriegsdekaden, als die Situationistische Internationale ihre Kritik formulierte, hatte sich die spektakuläre Erscheinung des Proletariats von der Rolle des Arbeiters zu der des Konsumenten verschoben. Heute besteht sie dagegen in der »Exklusion«: Teile der Bevölkerung haben wenig Aussichten, jemals wieder unter Bedingungen ausgebeutet zu werden, die sie zu respektablen Verbrauchern machen würden. Marx unterschied in seiner Darstellung des »allgemeinen Gesetzes der kapitalistischen Akkumulation« zwischen flüssiger, latenter und stockender Überschussbevölkerung und schließlich dem Pauperismus. Schon damals ging es also um eine Vielfalt von Arbeitsverhältnissen, die mehr oder weniger dynamisch zwischen den Polen von Beschäftigung und Arbeitslosigkeit oszillieren. Vom unbeständigen Charakter der Saison-, Teilzeit-, informellen und selbständigen Arbeit[13] bis zum dubiosen Unternehmertum der sharing economy[14] oder dem unbezahlten Praktikum, von der ländlichen Arbeitsmigration bis zu den Slumbewohnern der urbanen Ballungsräume, vom grotesken Angebot des Islamischen Staates, die Bildungskredite neuer Rekruten zu tilgen[15], bis zur allgemeinen Unsicherheit, der sich jüngere Generationen gegenübersehen – das heutige Proletariat ist von einem beispiellosen objektiven Druck zur Entwertung seiner Arbeitskraft geprägt, welche seine Reproduktionsbedingungen zunehmend in Frage stellt. Eine trennscharfe Linie zwischen Beschäftigung und Arbeitslosigkeit zu ziehen, führt daher vollkommen in die Irre, wenn wir begreifen wollen, wie die Dynamik der Überschussbevölkerung aus der historischen Entwicklung der Kapitalakkumulation hervorgeht. Um der Versuchung zu widerstehen, uns einfach an die Unmittelbarkeit des Gegebenen zu halten soll im Folgenden versucht werden, den Begriff der relativen Überschussbevölkerung als Kategorie der gesellschaftlichen Vermittlung zu fassen, durch die sich die sich die selbst reproduzierende Totalität des Kapitals entfaltet.

Adorno bemerkte einmal, dass »Gesellschaft unmittelbar da fühlbar wird, wo es weh tut«. Es besteht kein Mangel an sensationell aufbereiteten, bewegenden Bildern struktureller Arbeitslosigkeit. Sich an die Unmittelbarkeit moralisierender Begriffe wie Diskriminierung, Exklusion und Verdrängung zu klammern, zielt bestenfalls auf eine gerechtere Verteilung der Ausbeutung. Vielgefeierte politische Akteure wie die »Multitude«, das »Prekariat« oder die »Ausgeschlossenen« – die letztlich alle unter dem Banner der Vollbeschäftigung die Ungleichheit bezwingen sollen – vernebeln die Wahrheit des Klassenverhältnisses, während sie sich einem bornierten Praktizismus im Dienste des schlichtweg Gegebenen andienen.[16] Symptomatisch für solch oberflächliche Betrachtungen ist die Abkehr vom Kommunismus zum Egalitarismus und Kommunitarismus, von der Kritik zur moralischen Betroffenheit. Identitäre Trennlinien entlang einer Skala von Privileg und Unterdrückung haben wenig theoretisches Gewicht, und erschöpfen sich in einer alibihaften Glorifizierung der Marginalisierten und in der Verdinglichung des Elends. Auch wenn sich das Wesen einer Kategorie nur durch ihre Erscheinungsformen begreifen lässt, muss kritische Reflexion über das unmittelbar Gegebene hinausgehen, ohne sich in leere Abstraktionen zu flüchten.[17]

Marx’ Begriff der relativen Überschussbevölkerung ist keine soziologische Allerweltskategorie, sondern bezieht sich auf ein strukturelles Phänomen einer widersprüchlichen Totalität. Die empirisch gegebenen Bedingungen der kapitalistischen Produktionsweise sind lediglich Momente, durch die sich methodisch die objektiven, gesetzmäßigen Tendenzen des Kapitals erschließen lassen, das die Bedingungen seiner eigenen Existenz setzt. Wie schon bemerkt worden ist: »Das Konkrete ist konkret, weil es die Zusammenfassung vieler Bestimmungen ist, also Einheit des Mannigfaltigen.« (Grundrisse, S. 21) Die Kategorien der Kritik der politischen Ökonomie lassen sich nicht auf eine empiristische Perspektive reduzieren, für die allein quantifzierbare Fakten gültig wären. Gegen einen Positivismus, der soziale Tatsachen als etwas an sich Gegebenes unterstellt, gilt es die unmittelbare Situation der Überschussbevölkerung auf tieferreichende Vermittlungen hin zu entschlüsseln. Diese liegen im Begriff der Klasse, insoweit er nicht eine Ansammlung von Individuen bezeichnet, die bestimmte Eigenschaften wie Einkommen, Bewusstsein, kulturelle Gewohnheiten etc. teilen, sondern ein antagonistisches Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit, welches das Leben der Einzelnen strukturiert.[18] Eine »Zugehörigkeit« zur Klasse kann es streng genommen nicht geben. Ein solches Verständnis gibt unweigerlich die Perspektive der Totalität preis, ohne die der Klassenbegriff zu einem räumlichen Schema voneinander abgegrenzter »Sphären«, »Ebenen« oder »Instanzen« verkümmert. Auszugehen ist nicht von einer monokausalen Bestimmung, sondern vielmehr von unterschiedlichen Momenten der Totalität des Klassenverhältnisses von Kapital und Arbeit, aus dem sich das Phänomen der relativen Überschussbevölkerung ableitet.

Bei der Analyse der Überschussbevölkerung wird deutlich, dass eine wohlgeordnete, durch quantifizierbare Fakten [s.o.] aufpolierte Zusammenstellung sozialer Tragödien keinen Ersatz für substantielle Kritik bietet. Obgleich keine empirische Kategorie, schließt dieser Begriff der relativen Überschussbevölkerung das Konkrete in sich ein. Sie ist zugleich konkret und abstrakt, ebensowohl direkt zu beobachten wie allgemeines Moment des Akkumulationsprozesses.[19] Das Surplus-Proletariat ist eine qualitative Kategorie der Produktivität der Arbeit innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise, die quantitative Dimensionen hat, weil diese Produktivität durch das Verhältnis von konstantem und variablem Kapital bestimmt wird. Ohne ein solches Verständnis läuft man Gefahr, auf die Annahme zurückzufallen, Beschäftigte und Arbeitslose seien zwei unterschiedliche Bevölkerungsgruppen und nicht Ausdruck einer Dynamik des Kapitalverhältnisses. Kennzeichnend für diese Dynamik ist die Unsicherheit, die eigene Arbeitskraft geltend machen zu können, gegen das vorrangige Bedürfnis des Kapitals, die Mehrarbeit auszuweiten; sie ist nicht mit einem soziologischen Schema zur Klassifizierung von Individuen zu begreifen. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass Mike Davis’ Charakterisierung des Phänomens als ein »Kontinuum« treffender ist als eine scharfe Unterscheidung von Beschäftigten und Arbeitslosen.[20] Definieren wir das Surplus-Proletariat als ein solches Kontinuum, dann lässt es sich als eine allgemeine Dynamik des Kapitalverhältnisses fassen, die zur Folge hat, dass sich die Individuen hektisch getrieben durch das gesamte Spektrum von Arbeitslosigkeit, Unterbeschäftigung und Arbeit bewegen – prekäre Übergänge, die schneller denn je aufeinander folgen. Aus diesem Grund drückt das Surplus-Proletariat die Wahrheit der Klassenmobilität aus. Entscheidend ist, die strikte Trennung zwischen Beschäftigten und Arbeitslosen, als handele es sich dabei um statische soziale Positionen innerhalb der Ökonomie, aufzubrechen. Denn das Problem des Surplus-Proletariats lässt sich nicht auf die scheinbar einfache Frage reduzieren, wer arbeitet und wer nicht, sondern stellt eine Dynamik dar, die all diese Positionen durchzieht und hervorbringt. Die Verdrängung aus formal geregelten Arbeitsmärkten entspringt einem Widerspruch innerhalb des Lohnarbeitsverhältnisses selbst; die von chronischer Arbeitslosigkeit Betroffenen sind ebenso sehr Teil der Produktion wie ihr Produkt. Arbeitslosigkeit muss daher als eine Kategorie der Ausbeutung gefasst werden und nicht als etwas ihr Äußerliches. Zudem bietet die diffuse Unterbeschäftigung dem Kapital ein Mittel zur Disziplinierung der scheinbar stabil Beschäftigten, zur Senkung des Werts der Ware Arbeitskraft und zur Erhöhung der Ausbeutungsrate. Die Beschäftigten müssen »entdecken, daß der Intensitätsgrad der Konkurrenz unter ihnen selbst ganz und gar von dem Druck der relativen Übervölkerung abhängt« (Marx). Insofern ist das Surplus-Proletariat keineswegs überflüssig. Es stellt eine Dynamik innerhalb des Proletariats dar, die seinem Begriff wesentlich inhärent ist. Wie der objektive Antagonismus des Klassenverhältnisses selbst durchzieht dieses Phänomen das Leben jedes Einzelnen, ohne dass es auf eine Frage von Identitäten reduzierbar wäre. Somit ist die Totalität des Surplus-Proletariats, wie es aus dem Kapitalverhältnis und dem Zwang zur Entwertung der Arbeitskraft insgesamt hervorgeht, in allen Individuen gegenwärtig.[21]

 

Das Surplus-Proletariat heute

Das Neuartige an der heutigen Erzeugung des Surplus-Proletariats lässt sich aus den drei Blickwinkeln von Arbeitskraft, Kapital und Staat fassen, die jeweils bestimmte Facetten der gegenwärtigen Kluft zwischen Angebot und Nachfrage nach Arbeitskraft offenbaren. Heute erfolgt der Zugang zum Arbeitsmarkt unter Bedingungen einer solchen Flexibilisierung und Prekarisierung, dass die meisten Beschäftigten de facto bereits halb arbeitslos sind. Die Betätigung des Surplus-Proletariats auf dem Markt setzt ebenso dessen Ausschluss voraus. Der dröhnende Unternehmerdiskurs, der jedem verspricht Lehrer, Taxifahrer oder Motel-Manager werden zu können, verdeutlicht vor allem die verschärfte Konkurrenz unter den Arbeitskräften. Ehemals als Zeichen von Erfolg betrachtet, zeugt Selbständigkeit heute von einer voranschreitenden Atomisierung, die all zu oft noch tiefer in die Prekarität führt. Seit den 1990er Jahren kommt hinzu, dass diejenigen, die aufgrund der mauen Arbeitsmarktsituation nahe oder unter der Armutsgrenze leben, zunehmend auf niedrig verzinste Verbraucherkredite angewiesen sind, um ihr dürftiges Einkommen aufzubessern.

Aus all diesen Gründen kann man sagen, dass die genannten Umstrukturierungen für das Proletariat eine qualitative Verschiebung von einer Existenz als virtuelle Pauper zur konkreten Lumpenproletarisierung bewirkt hat.[22] Kennzeichnete das Surplus-Proletariat Mitte des 19. Jahrhunderts noch die potentielle Pauperisierung des freien Arbeiters, bedeutete die Umstrukturierung der 1970er und 1980er Jahre die konkrete Verwirklichung des virtuellen Paupers als permanente Bedingung des Proletariats im Verhältnis zum Kapital. Dergestalt verweist das Surplus-Proletariat auf die gegenwärtigen Probleme der Arbeitskraft, sich durch das Lohnverhältnis, und aufgrund dieses Verhältnisses, zu vergesellschaften. Der Tendenz nach drücken sich die antagonistischen Verhältnisse innerhalb des Surplus-Proletariats zudem entlang der Linien von Geschlecht, Ethnie und Generation aus.[23]

Diese Entwicklungen auf den Arbeitsmärkten zeigen eine Krise der Reproduktion der Arbeitsbevölkerung an. Marx zufolge ist es das Mittel der Beschäftigung, welches das Surplus-Proletariat charakterisiert: »dies ist aber allgemeiner zu fassen und bezieht sich überhaupt auf die soziale Vermittlung, durch welche das Individuum sich auf die Mittel zu seiner Reproduktion bezieht und sie schafft” (Grundrisse). Versuche, das Surplus-Proletariat schlicht als bestimmte, empirisch fixierbare Stellung im Produktionsprozess zu definieren, verfehlen seine Dynamik mit Blick auf die gesellschaftliche Vermittlung und die Sphäre der Reproduktion. Wenn das Kapital heute nicht mehr in ausreichendem Maß reguläre Lohnarbeit gewährleisten kann, gerät das Proletariat auf Ebene seiner Reproduktion in eine Krise. Insofern drückt sich im Surplus-Proletariat ein Angriff des Kapitals auf die Reproduktion von Arbeitskraft aus – ein deutlicher Kontrast zur Sozialdemokratie der Nachkriegsdekaden, in denen höhere Löhne und Sozialausgaben kennzeichnend für die Ausbeutungsbedingungen waren. Seitdem hat das Kapital seine Übereinkunft mit den Lohnabhängigen aufgekündigt, die diese in den Akkumulationsprozess integrieren sollte. Dieser Bruch in der Reproduktion des Klassenverhältnisses lässt sich auch als Reaktion auf den Zyklus der Klassenkämpfe der 1960er und 1970er Jahre verstehen, durch die das Proletariat diese Übereinkunft – die Kopplung von Löhnen und Produktivität – strapazierte, indem es immense Lohnsteigerungen durchsetzte und so die Kosten seiner Reproduktion in die Höhe trieb.[24] Im Gegensatz zur damaligen Situation besteht der gegenwärtige Ausdruck des Surplus-Proletariats in einer dauerhaften Entwertung von Arbeitskraft, die unauflöslich mit der durch die Krise beschleunigten Entwertung von Kapital verbunden ist. Das Proletariat der weltweiten Slums und Ghettos ist lediglich die verdichtete Erscheinung dieser allgemeinen Krise der Reproduktion. Dieser Prozess, von Robert Kurz als »Entwertungsspirale« bezeichnet,[25] bestimmt die Konturen einer Ära schwachen Wachstums, das mit der Ausbreitung des Surplus-Proletariats und seiner Krise der Reproduktion einhergeht.[26] Die sicherste Prognose lautet, dass sich die Lage in den kommenden Jahrzehnten Schritt für Schritt weiter verschlechtern wird.

Das relative Surplus-Proletariat geht als Dynamik des Kapitalverhältnisses aus der gegenwärtigen Krise hervor. Der schlichte Verweis auf eine »industrielle Reservearmee« bietet wenig Aufschluss über die heutige Konstellation, denn die Rede von einer Reserve deutet auf eine mögliche Reintegration hin, die für weite Teile des Surplus-Proletariats längst nicht mehr gilt; sein Wachstum lässt sich nicht allein als Krise der Arbeitskraft fassen, sondern zeigt auch die aktuellen Grenzen der Akkumulation des Kapitals an.[27] Diese Krise nötigt das Kapital dazu, die Arbeit produktiver zu machen und so den Anteil der notwendigen Arbeit zu senken, was – in Marxschen Begriffen gefasst – eine Steigerung der organischen Zusammensetzung des Kapitals bedeutet. Die Kehrseite der Medaille besteht darin, dass das Kapital damit zugleich die Voraussetzung seiner eigenen Verwertung untergräbt: menschliche Arbeitskraft.

Hinzu kommt, dass die – vor allem durch die Liberalisierung der Finanzmärkte geförderten – Industrialisierungsprozesse der letzten Dekaden kaum arbeitsintensiv waren: Gemessen an früheren Phasen und Industrien des 20. Jahrhunderts ist die Zahl der beschäftigten Proletarier relativ gering ausgefallen. In den BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) zum Beispiel war zwar bis vor kurzem noch eine schnellere Kapitalakkumulation zu beobachten als in den bereits entwickelten Wirtschaften; besonders China und Indien konnten hohe Wachstumsraten verzeichnen, die mit beachtlichen geographischen Verschiebungen in der globalen industriellen Produktion und Beschäftigung einhergingen. Doch gemessen an der Gesamtbeschäftigung haben die Industriejobs kaum zugenommen[28]; jenseits der Landwirtschaft arbeiten die meisten im Dienstleistungssektor, besonders in Brasilien. In China und Indien etwa sind kaum 15 Prozent der Erwerbsbevölkerung in der Industrie beschäftigt. Zudem hat die Zahl der chinesischen Proletarier, die überhaupt einer Arbeit nachgehen, gemessen an der Gesamtbevölkerung seit den 1990er Jahren allmählich abgenommen.[29] Das industrielle Wachstum in dieser Phase hat die Industriearbeiterschaft nicht automatisch vergrößert, sondern eher verkleinert. Während in Chinas älteren Industrien Arbeitsplätze verloren gingen – auch durch Verlagerungen in südostasiatische Länder wie Kambodscha, Vietnam und Bangladesch, wo die Entwertung von Arbeitskraft noch stärker ausfällt –, haben die neu entstehenden Zweige „gemessen am Produktionsausstoß (…) weniger Arbeitskräfte absorbiert“[30] Marx‘ Beschreibung einer latenten Überschussbevölkerung weist bemerkenswerte Ähnlichkeit mit den urbanisierten chinesischen Wanderarbeitern auf[31], die – infolge der Kapitalisierung der Landwirtschaft – gezwungen sind, auf der Suche nach ungewisser Beschäftigung durchs Land und über fremde Kontinente zu ziehen.[32]

Die Stagnation der weltweiten Industriebeschäftigung geht, gemessen an der gesamten Erwerbsbevölkerung, mit der Ausweitung von schlecht bezahlten Dienstleistungsjobs einher, in denen das Surplus-Proletariat flexiblen Arbeitsverhältnissen unterworfen ist. So mag die kapitalistische Entwicklung der Schwellenländer zwar die absolute Zahl der Armen reduzieren, aber sie bringt vor allem Niedriglohnjobs hervor. In Indien bleibt zunehmende Unterbeschäftigung die Regel, auch wenn der wachsende IT-Sektor das Bruttoinlandsprodukt steigert. Zudem konnten die BRICS-Länder in der Vergangenheit durch Staatsausgaben die Realität einer Industrialisierung verbergen, deren Absorption von Arbeitskraft hinter der Kapitalakkumulation zurückblieb. Diese Sicherheitsnetze, vor allem die Subventionierung von Grundnahrungsmitteln, lösen sich heute durch Privatisierung und Sparpolitik weitgehend auf.

Das Hauptproblem des Kapitals in der gegenwärtigen Krise lässt sich als Tautologie ausdrücken: Es ist gezwungen, die Arbeit produktiver zu machen, und dazu benötigt es mehr Kapital. Vor dem historischen Hintergrund einer bereits sehr hohen organischen Zusammensetzung jedoch ist das zur Erzielung eines bestimmten Profits benötigte Kapitalminimum zu hoch. Um mehr Kapital für die erforderlichen Investitionen zu bekommen, muss das Kapital die Produktivität der Arbeit erhöhen. Aufgrund dieser Tautologie oder Aporie flieht das Kapital zunehmend aus der Produktionssphäre und findet Zuflucht auf den Finanzmärkten, wo sich durch Spekulation mit Währungen, Staatsanleihen, Immobilienanlagen und dergleichen scheinbar einfacher Gewinne erzielen lassen. Diese Tendenz lässt sich auch als Flucht vor dem strengen Regiment des Wertgesetzes beschreiben – eine Flucht, die letztendlich nicht gelingen kann.

Die aktuelle Krise nimmt die Erscheinungsform einer allgemeinen Entwertung an, die eine Neujustierung der Ausbeutungsbedingungen nach sich zieht und durch exorbitante Staatsausgaben in die finanzpolitische Sackgasse führt. Der Staat ist zugleich Voraussetzung und Resultat der Bedingungen der Kapitalakkumulation. So drückt sich die derzeitige Krise auch als Krise des Staates aus, die wiederum in Gestalt von Konjunkturprogrammen, Liquiditätsspritzen, Austerität und schlussendlich Repression erscheint. Wo sich das Kapital zurückzieht, tritt die Polizei auf den Plan. In diesem Kontext geht die staatliche Verwaltung des Surplus-Proletariats mit einer weltweiten geographischen Segmentierung der Arbeitskräfte einher, die angesichts immenser Migrations- und Flüchtlingsströme sowie der gesellschaftlichen Arbeitsteilung zwischen urbanen Zentren und Vorstädten noch an Bedeutung gewinnen dürfte.

Der Zweite Weltkrieg entschärfte die Krise durch eine massive Zerstörung und Entwertung von Kapital. Nach dem Krieg zielte der Staat in erster Linie darauf ab durch immer größere schuldenfinanzierte Ausgaben, den keynesianischen Deal zwischen Kapital und Arbeit – die Kopplung von Löhnen und Produktivität – sicherzustellen.[33] Nachdem dieser Deal mit der Krise der 1970er Jahre an sein Ende kam, zeigten die Jahre 2007/08 noch einmal, die Nutzlosigkeit einer solchen Strategie wenn es darum geht, reales Wirtschaftswachstum zu erreichen. Heute besteht die Funktion des Staates, ungeachtet etwaiger sozialdemokratischer Posen[34], in der Fortsetzung von Sparprogrammen, durch die er seinen Anteil an den Kosten der Reproduktion der Arbeitskräfte senkt – eine Politik, die zwangsläufig mehr Kriminalisierung und Repression nach sich zieht.[35] Als Vermittler einer Entwertung von Arbeitskraft tritt er gegenwärtig am eindrücklichsten in südeuropäischen Ländern auf, die von ihren Gläubigern unter anderem dazu gezwungen werden, die Zahl der gesetzlichen Feiertage, Zulagen für Überstunden und Abfindungspakete zu reduzieren, Tarifverträge aufzubrechen und allgemein die Sozialausgaben, also den indirekten Lohn, zu senken. Da die Möglichkeit einer politischen Vermittlung tendenziell verschwindet, büßt der Staat seine Integrationskraft ein. Es ist daher kein Zufall, dass soziale Kämpfe in den letzten Jahren immer häufiger auf eine direkte Konfrontation mit dem Staat hinausliefen.[36] In der Vergangenheit konnte der Staat Krisen eindämmen. Heute dagegen ist die keynesianische Lösung keine Option mehr, weil ihm nach der Rettung von Privatunternehmen und seiner massiven Verschuldung in der Nachkriegsperiode selbst der Bankrott droht. In der Vergangenheit konnte die Reproduktion des (Surplus-)Proletariats durch die staatliche Umverteilung von Mehrwert in Gestalt von Sozialleistungen und anderen Ausgaben vermittelt werden; bei diesem Modell, das bis zur ökonomischen Umstrukturierung der 1970er Jahre eine gewisse Plausibilität besaß, wurde sein indirekter Lohn durch Besteuerung aus der Privatwirtschaft abgeschöpft. Heute dagegen steckt der Staat selbst in einer Krise und kann die Reproduktion der Arbeitskräfte nicht mehr gewährleisten. Dieses Unvermögen ist Ausdruck einer globalen Abwertung von Arbeitskraft, die zum beispiellosen Aufruhr seitens einer Generation von Surplus-Proletariern mit düsteren Zukunftsaussichten führt.

 

Der Kampf des Surplus-Proletariats

Wir möchten vor zwei Sackgassen warnen: Die Idealisierung der proletarischen Lebens- und Arbeitszusammenhänge in ihrem vergangenen Glanz oder aber in ihrer heutigen Flüchtigkeit sind letztlich zwei Seiten derselben Medaille. Zunächst sollte die vorliegende Auseinandersetzung mit dem Phänomen des heutigen Surplus-Proletariats keineswegs als Lamento über die Marginalisierung einer Figur verstanden werden, die man sich häufig als klassischen produktiven Arbeiter mit immenser Verhandlungsmacht vorstellt und die frühere Phasen tatsächlich geprägt haben mag. Wenn überhaupt, verweisen die gegenwärtigen Konstellationen und die Dynamik des Surplus-Proletariats auf das Elend einer solchen Überhöhung des machtvollen Arbeiters. Es geht nicht um den Versuch, frühere Bedingungen der Ausbeutung wiederherzustellen, sondern um eine Auseinandersetzung mit den historischen Grenzen, an die die Reproduktion des Klassenverhältnisses heute stößt. Die Produktion des Kommunismus ist nicht die Glorifizierung der Arbeit, sondern ihre Abschaffung. Spiegelbildlich zu einem solchen ziellosen Lamento verhält sich die Überhöhung des Surplus-Proletariats zu einem einzigartigen revolutionären Subjekt, das vollbringen kann, was den anderen – die noch das Glück der früheren Ausbeutungsbedingungen genießen – zwangsläufig verwehrt bleibt. Selbst wenn heute mit dem Surplus-Proletariat auch die Riots zunehmen, ist das kein Grund, sich in romantischer Projektion einen Akteur mit klarer Identität auszumalen, der näher am Kommunismus sei als jene, die noch in einer glücklicheren Lage sind.[37] Auch die Bessergestellten können schnell und unsanft auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden.

Die Dynamik des Surplus-Proletariats ist eine Dynamik der Fragmentierung – ein Prozess, der gemäß den Veränderungen des Kapitals und der Entwertung von Arbeitskraft innere Transformationen des Proletariats insgesamt hervorruft und dessen unterschiedliche Beziehungen zum Produktionsprozess betrifft.[38] Infolgedessen sind heutige Klassenkämpfen oftmals getragen von Menschen mit sehr unterschiedlichen Erfahrungen und Hintergründen, was oft Konflikte nach sich zieht. Dieses Problem der Klassenzusammensetzung zeigt sich vielleicht am deutlichsten in Konflikten, die die sogenannte Mittelschicht und ihre Angst vor einem Abstieg in weniger günstige Ausbeutungsverhältnisse betreffen. Ihre Krise, die sich auch im Ruf nach gerechterer Verteilung ausdrückt, ist selbst ein Moment der Totalität des Surplus-Proletariats, d.h. sie vollzieht sich in und durch die innere Fragmentierung des Proletariats. Das heutige Problem des Surplus-Proletariats wirft somit die Frage nach dem Interklassismus als einer Dynamik der gegenwärtigen Kämpfe des Proletariats auf, dessen fragmentierter Charakter häufig als eine Grenze erscheint.

Dieses Problem wird oft als eines der Zusammensetzung beschrieben, d.h. der Schwierigkeit, verschiedene Fraktionen des Proletariats im Zuge von Kämpfen zu vereinen. Der Inhalt der Revolution ist heute nicht mehr als Triumph einer ständig zunehmenden proletarischen Klassenmacht vorstellbar, wie es in der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts vielleicht der Fall war.[39] Davon zeugen Kämpfe, die immer häufiger nicht in der Produktions-, sondern in der Reproduktionssphäre stattfinden. Der arabische Frühling, die Indignados, Occupy, Taksim, Maidan und die ganz unterschiedlichen Riots in anderen Ländern waren nicht davon geprägt, dass Arbeiter im Konflikt mit dem Kapital ihre Identität als Arbeiter behauptet hätten, sondern vielmehr davon, dass aus ihrer Dynamik keinerlei vereinheitlichende Identität hervorging. Auch die jüngeren Proteste gegen rassistische Polizeigewalt in den Vereinigten Staaten, namentlich in Ferguson und Baltimore, haben wenig mit früheren Arbeitskämpfen gemein. Verstärkt wird dies durch das gleichzeitige Anwachsen des Surplus-Proletariats sowie des überschüssigen Kapitals, das keine dauerhaften Investitionsmöglichkeiten mehr findet. Die Arbeiterbewegung bietet dem Klassenkampf keine vereinheitlichende Klammer mehr. Eine solche besteht heute vielmehr gerade in der Fragmentierung. Gegenwärtige Kämpfe drücken sich weniger in einer festen Zusammenschluss aus als in einer Bündelung unterschiedlicher Interessen entlang der materiellen Reproduktion (Zwangsräumungen, Lebensmittelpreise, Transportkosten), durch abstrakte Forderungen (gegen »Korruption«, »Ungleichheit«, »Ungerechtigkeit«) oder durch opferbereite Identifikation mit falschen Fragmenten, die das soziale Ganze verkörpern sollen (Nation oder Religion). Infolgedessen ist die Zentralität der Lohnforderung, durch die sich frühere Kämpfe auszeichneten, heute peripher geworden. Das Surplus-Proletariat, verstanden als Dynamik des Klassenkampfs in der gegenwärtigen Situation, hat die Träume von einem keynesianischen Klassenkompromiss eigentlich schon aufgegeben. Die Selbstaffirmation des Proletariats als Klasse ist beständig auf dem Rückzug.

Es sollte deutlich geworden sein, dass der Begriff des Surplus-Proletariats nicht einfach auf die empirische Frage nach bestimmten Gruppen und ihrer Zusammensetzung verweist. Solche soziologisch gefassten Identitäten sind selbst bloß Momente der Reproduktion einer Totalität des Klassenverhältnisses. Die Entwertung deren Arbeitskraft entfaltet sich dabei gegenwärtig durch die Kategorie des Surplus-Proletariats. Wichtiger für kommunistische Theorie ist die Frage, was die Personifikationen dieser Kategorie gegen ihr eigenes Dasein tun – wieweit sie als eine negative Bewegung wider die eigene proletarischen Lage auftreten und angesichts der Krise ihrer Reproduktion eine Klasse gegen sich selbst bilden. Offen bleiben muss vorerst, wie die konkrete Entwicklung des Surplus-Proletariats, die mit der sich entfaltenden Krise des Kapitals zusammenfällt, die Spaltung und Fragmentierung des Proletariats verstärkt und entlang welcher Linien dies in den heutigen Kämpfen geschieht (seien es Gegensätze zwischen Regionen, qualifizierter und unqualifizierter Arbeit, oder die Stigmatisierung von Altersgruppen, Ethnien, Geschlechtern etc.). Insofern wirft der Begriff die Frage auf, wie die enteignete und ausgebeutete Klasse in der gegenwärtigen Situation – trotz ihrer zunehmenden Spaltung – an und gegen sich als Klasse des Kapitals handeln kann. So betrachtet ist das Surplus-Proletariat lediglich die jüngste Erscheinung des Proletariats als solchem – dessen Wesen weiterhin darin besteht, in der Trennung von den Mitteln seiner eigenen Reproduktion vereint zu sein.

 

Surplus Club

Frankfurt am Main, Frühjahr 2015

 

[1]          Der »IWF hat seine Wachstumsprognosen für die Weltwirtschaft angesichts einer Abkühlung in China, einer drohenden Rezession in Russland und der anhaltenden Schwäche der Eurozone gesenkt«. <http://www.theguardian.com/business/2015/jan/20/imf-cuts-global-economic-growth-forecast&gt;. Die International Labor Organization »prognostiziert für die kommenden Jahre mit Blick auf die globale Beschäftigung eine düstere Situation« <http://blogs.wsj.com/economics/2015/01/21/world-economy-needs-280-million-jobs-in-next-five-years-ilo-says/&gt;. Nicht besser sind die Aussichten für Lateinamerika: der IWF »erwartet für 2015 einen wirtschaftlichen Rückgang in Venezuela und Argentinien und ein Wachstum von lediglich 0,3 Prozent in Brasilien; auch für 2016 hat er seine Wachstumsprognose für Lateinamerika von 2,8 auf 2,3 Prozent gesenkt.« <http://laht.com/article.asp?ArticleId=2370538&CategoryId=12394&gt;. Besonders die brasilianische Wirtschaft nähert sich einer Implosion: Ökonomen haben »zum vierten Mal hintereinander ihre wöchentliche Prognose für die Inflation in diesem Jahr angehoben und die für das Wirtschaftswachstum gesenkt.« <http://www.bloomberg.com/news/articles/2015-01-26/brazil-economists-raise-2015-cpi-cut-gdp-for-fourth-week-in-row&gt;. Selbst Nordeuropa ist gegen den Wachstumsrückgang nicht immun: »Schwedens Regierung hat ihre Wachstumsprognosen nach unten korrigiert und geht davon aus, dass sie in den nächsten vier Jahren keinen Haushaltsüberschuss erreichen wird.« <http://www.bloomberg.com/news/articles/2015-01-20/sweden-cuts-gdp-forecast-as-deficit-seen-stretching-past-2018&gt;.

[2]          »Chevron Tightens Belt as $40 Billion Makeover Sweeps Oil Sector«. < http://www.bloomberg.com/news/articles/2015-01-30/chevron-profits-fall-to-lowest-since-2009-as-oil-prices-collapse&gt;.

[3]          »We Traveled Across China and Returned Terrified for the Economy«. < http://www.bloomberg.com/news/articles/2015-04-09/we-travelled-across-china-and-returned-terrified-for-the-economy&gt;.

[4]          Der angeblich »stabile« Wirtschaftsboom in Deutschland beruht auf den Arbeitsmarktreformen der letzten Dekade, die die Reproduktionskosten der Arbeitskräfte deutlich gesenkt haben. Vgl. <http://foreignpolicy.com/2015/05/05/rich-germany-has-a-poverty-problem-inequality-europe&gt;. Angesichts ihrer Exportabhängigkeit und geringen Lohnstückkosten könnte die vermeintliche Robustheit der deutschen Wirtschaft außerdem beim nächsten globalen Abschwung ein Ende haben: <http://blogs.lse.ac.uk/eurocrisispress/2015/03/12/germany-the-giant-with-the-feet-of-clay/&gt;.

[5]          »Debt mountains spark fears of another crisis«. <http://www.ft.com/intl/cms/s/0/2554931c-ac85-11e4-9d32-00144feab7de.html#axzz3QuNTKwet&gt;.

[6]          »Deleveraging, What Deleveraging? The 16th Geneva Report on the World Economy«. <http://www.voxeu.org/article/geneva-report-global-deleveraging&gt;. In südeuropäischen Ländern ist die Verschuldung gemessen am BIP in den vergangenen drei Jahren um 15 Prozent gestiegen. »Germany faces impossible choice as Greek austerity revolt spreads.« <http://www.telegraph.co.uk/finance/economics/11407256/Germany-faces-impossible-choice-as-Greek-austerity-revolt-spreads.html&gt;. Besonders bemerkenswert ist neuerdings die Verschuldung in China, die sich seit 2007 vervierfacht hat und mittlerweile bei 282 Prozent des BIP liegt; ihre Ursache besteht in latenten Überkapazitäten und vor allem in einem überhitzten Immobilienmarkt. »Debt and (not much) deleveraging«. <http://www.mckinsey.com/insights/economic_studies/debt_and_not_much_deleveraging&gt; and »How addiction to debt came even to China«. <http://www.ft.com/intl/cms/s/0/585ae328-bc0d-11e4-b6ec-00144feab7de.html#axzz3SjqvVqAV&gt;.

[7]          »Most of the world’s workers have insecure jobs, ILO report reveals«. <http://www.theguardian.com/business/2015/may/19/most-of-the-worlds-workers-have-insecure-jobs-ilo-report-reveals&gt;.

[8]          »The December Jobs Report in 10 Charts«. http://blogs.wsj.com/economics/2015/01/09/the-december-jobs-report-in-10-charts&gt;.

[9]          Wie Marx schreibt: „Die Vermehrung der Produktivkraft der Arbeit und die größte Negation der notwendigen Arbeit ist die notwendige Tendenz des Kapitals.» (Grundrisse)

[10]             Zu betonen ist hier, dass es sich um eine relative Abnahme handelt – selbst wenn das Kapital die absolute Zahl der Beschäftigten steigert, geschieht dies dem allgemeinen Gesetz der kapitalistischen Akkumulation zufolge langsamer als die allgemeine Rate der Akkumulation. Dies bedeutet, dass »die Arbeiterbevölkerung stets rascher wächst als das Verwertungsbedürfnis des Kapitals«, und dass »im Maße wie Kapital akkumuliert, die Lage des Arbeiters, welches immer seine Zahlung, hoch oder niedrig, sich verschlechtern muss.« (Das Kapital Band I, S 674 f.)

[11]         Wie Marx schreibt: „Das Arbeitsvermögen kann nur seine notwendige Arbeit verrichten, wenn seine Surplusarbeit Wert für das Kapital hat, verwertbar für es ist. Ist diese Verwertbarkeit daher durch eine oder die andre Schranke gehemmt, so erscheint das Arbeitsvermögen selbst 1. außer den Bedingungen der Reproduktion seiner Existenz; es existiert ohne seine Existenzbedingungen und ist daher a mere encumbrance; Bedürfnisse ohne die Mittel, sie zu befriedigen; 2. die notwendige Arbeit erscheint als überflüssig, weil die überflüssige nicht notwendig ist. Notwendig ist sie nur, soweit sie Bedingung für die Verwertung des Kapitals.» Desweiteren ist hervorzuheben, dass dieser Druck, die eigenen Bedürfnisse befriedigen zu müssen, Resultat des krisenhaften Charakters der Tauschbeziehung ist. »daß es also die means of employment und nicht of subsistence sind, die ihn in die Kategorie der Surplus-Population stellen oder nicht. Dies ist aber allgemeiner zu fassen und bezieht sich überhaupt auf die soziale Vermittlung, durch welche das Individuum sich auf die Mittel zu seiner Reproduktion bezieht und sie schafft; also auf die Produktionsbedingungen und sein Verhältnis zu ihnen.« (Grundrisse 1. Zitat auf S.502; 2. Zitat auf S. 501 in meiner Ausgabe – Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt, die mit der MEW-Ausgabe nicht identisch ist)

[12]          Reflexionen über das Surplus-Proletariat, Kosmoprolet 4

[13]         »One in Three U.S. Workers Is a Freelancer« < http://blogs.wsj.com/atwork/2014/09/04/one-in-three-u-s-workers-is-a-freelancer/&gt;.

[14]         »Against Sharing«. <https://www.jacobinmag.com/2014/09/against-sharing&gt;.

[15]         »ISIS Paying Off Student Debt to Lure American Recruits«. <http://dailycurrant.com/2015/01/20/isis-paying-off-student-debt-to-lure-american-recruits&gt;.

[16]         Wie Adorno schreibt: »Am tiefsten dürfte der Nominalismus der Ideologie darin verhaftet sein, daß er Konkretion als Gegebenes, zweifelsfrei Vorhandenes traktiert und sich und die Menschheit darüber täuscht, daß der Weltlauf jene friedliche Bestimmtheit des Seienden verhindert, die vom Begriff des Gegebenen nur usurpiert und ihrerseits mit Abstraktheit geschlagen wird.« (Ästhetische Theorie, S. 203)

[17]         Wie Zamora bemerkt, werden »die Kategorien der ‚Arbeitslosen‘, ‚Armen‘ oder ‚Prekären‘ rasch abgetrennt von der Ausbeutung, die den Kern kapitalistischer ökonomischer Verhältnisse bildet, und stattdessen als relative (finanzielle, soziale oder psychologische) Deprivation gefasst und unter den allgemeinen Rubriken von ‚Exklusion‘, ‚Diskriminierung‘ oder Formen der ‚Beherrschung‘ abgeheftet«. Zamora, Daniel. »When Exclusion Replaces Exploitation.« <http://nonsite.org/feature/when-exclusion-replaces-exploitation&gt;.

[18]         C.f. Gunn, Richard. »Notes on ‘Class’«. <http://www.richard-gunn.com/pdf/4_notes_on_class.pdf&gt;.

[19]         Aufgrund der Gleichzeitigkeit von Abstraktem und Konkretem, wird im Folgenden statt von “Überschussbevölkerung” von “Surplus-Proletariat” die Rede sein. Wie Marx in der Einleitung zu den Grundrissen bemerkt, ist die Kategorie der “Bevölkerung” – die Gesellschaft als zahlenmäßige Ansammlung von atomisierten Individuen voraussetzt – selbst eine “chaotische” Abstraktion vom Klassenverhältnis. “Bevölkerung” ist daher eine verquaste Subjektivierung eines Konzepts, das der vorliegende Text als ein dynamisches gesellschaftliches Verhältnis darzustellen sucht und nicht als eine Ansammlung von Identitäten. Marx selbst bringt die Kategorie der “Surplus-Population”/”Übervölkerung” in seiner Polemik gegen Malthus aufs Tapet und als ein Argument gegen Überbevölkerung als eine biologische Notwendigkeit. In dem Zusammenhang richtet Marx den Blick auf die historischen und gesellschaftlichen Bestimmungen des Phänomens der Überbevölkerung Marx Verwendung des Begriffs kann als ein Détournement der Terminologie Malthus‘ angesehen werden, d.h. als eine polemische Aneignung der Malthusianianischen Kategorien der klassischen Politischen Ökonomie, indem er sie vom Kopf auf die Füße stellt. Aus diesem Grund ist bei Marx auch von relativer und nicht von absoluter Surplus-Population die Rede. Es ist fraglich, ob heute noch die Notwendigkeit besteht, sich mit Malthus Ideologie der Überbevölkerung auseinander zu setzen. Eine lohnende Untersuchung wäre es allerdings, insofern im soziologischen Diskurs immer noch malthusianische Argumentationsmuster auftauchen, die effektiv die historisch-spezifische Rolle der Arbeitsproduktivität bei der Entstehung der Surplusbevölkerung vernebeln. Ein aktuelleres Beispiel wäre der Öko-Populismus anläßlich von Naturkatastrophen und sein Beharren auf Konsumverhalten und demographischen Problemen, statt sich mit der reelen Subsumtion der Natur unter die Formbestimmungen des Werts auseinanderzusetzen.

[20]         Davis, Mike. Planet of Slums. 2006.

[21]         Die folgenden Beiträge zeugen von der Gewalt, mit der sich die oben beschriebene Dynamik durchsetzt »Young people ‚feel they have nothing to live for’« <http://www.bbc.com/news/education-25559089&gt;. »Spanish Suicides Rise To Eight-Year High«. <http://www.zerohedge.com/news/2014-02-03/spanish-suicides-rise-eight-year-high&gt;. »Is Work Killing You? In China, Workers Die at Their Desks«. http://investmentwatchblog.com/is-work-killing-you-in-china-workers-die-at-their-desks/. »The Greek Mental-Health Crisis: As Economy Implodes, Depression and Suicide Rates Soar«. <http://content.time.com/time/world/article/0,8599,2079813,00.html&gt;. »Suicide rates increased with global economic crisis«. <http://www.medicalnewstoday.com/articles/266181.php&gt;. »US suicide rate rose sharply among middle-aged«. <http://bigstory.ap.org/article/us-suicide-rate-rose-sharply-among-middle-aged&gt;. »Banker Suicides Return«. <http://www.zerohedge.com/news/2014-10-24/banker-suicides-return-dsks-hedge-fund-partner-jumps-23rd-floor-apartment&gt;.

[22]         Wie Rocamadur von der Gruppe Blaumachen schreibt: »Die gefährlichen Klassen des 21. Jahrhunderts entsprechen nicht dem traditionellen Lumpenproletariat [19], welches am äußersten Rand der proletarischen Reservearmee in seiner eigenen Welt lebte und von Anfang an vom zentralen Kapitalverhältnis ausgeschlossen war. Das neue „Lumpenproletariat» (die neuen gefährlichen Klassen) durchdringt deshalb die normalen Arbeitsverhältnisse, weil das „normale» Proletariat lumpenproletarisiert wird. Durch den Druck gestiegener Arbeitslosigkeit, geringfügiger Beschäftigung und Schulden (…) und des eingeschränkten Zugangs zu Kredit kommt es zur plötzlichen Verarmung zahlreicher Arbeiter (wie es in der gesamten westlichen Welt der Fall ist). Erst recht erzeugt sie eine weitere Lumpenproletarisierung des Proletariats selbst – eine Lumpenproletarisierung, die nicht in einem äußeren Verhältnis zur Lohnarbeit steht, sondern ein ihr inhärentes Moment ist..« (The feral underclass hits the street in: Sic!, Heft 2, 2014 )

[23]         Wieweit diese These zutrifft, ist eine offene Frage, die weiter diskutiert werden müsste. Jedoch sind einige vorläufige Bemerkungen angebracht: (1) Mit Blick auf Geschlecht lässt sich sagen, dass das Surplus-Proletariat insgesamt seinem Wesen nach feminin ist, insofern »die allgemeine Tendenz zur ‚Feminisierung‘ keine geschlechtliche Formierung eines geschlechtsblinden Marktes ist, sondern den Drang des Kapitals ausdrückt, unter postfordistischen, globalisierten Bedingungen eine billige, befristet angeheuerte und flexibilisierte Arbeitskraft einzusetzen, die zunehmend entqualifiziert ist und auf Abruf bereit steht.« (The Logic of Gender, in: Endnotes 3 (2013)). Die Produktion des Surplus-Proletariats bedeutet insofern eine Feminisierung des Proletariats an sich. Zu untersuchen wäre in diesem Sinne, wie die gegenwärtigen Entwicklungen seit der Krise die Reproduktion reprivatisiert und traditionelle Rollen in der Familie aktualisiert haben. (2) Auch Ethnisierungsprozesse innerhalb des Surplus-Proletariats lassen sich als Ausdruck der antagonistischen Verhältnissen begreifen. Seine Existenz führt der Arbeitskraft höhnisch die Grenzen ihrer Verkäuflichkeit vor Augen; ihr Gebrauchswert für das Kapital wird nicht realisiert; sie wird zu einer leeren Materialität, die sich an die gesellschaftliche Gültigkeit der Tauschbeziehung klammert, aber letztlich auf die Naturalisierung äußerlicher Unterschiede zurückgreift. Zudem sind Arbeitsmigranten konstitutiv für informelle Arbeitsmärkte und insofern notwendige Personifikationen der allgemeinen Entwertung von Arbeitskraft. Die Ethnisierung von Arbeitskraft betrifft somit nicht nur ein bestimmtes Segment des Proletariats, sondern resultiert aus der Dynamik des Surplus-Proletariats, die sich durch ethnische, nationale und phänotypische Zuschreibungen ausdrückt. Vgl. R.L. »Inextinguishable Fire: Ferguson and Beyond« und »Burning and/or Demanding. On the Riots in Sweden«, in: Sic 3 (im Erscheinen). (3) Wie das Wesen des Surplus-Proletariats in Spannungen zwischen Generationen [? – generational disparity] erscheint, erörtern ebenfalls R.L. »Inextinguishable Fire« und »’Old People are Not Revolutionaries!‘ Labor Struggles Between Precarity and Istiqrar in a Factory Occupation in Egypt«, < http://www.focaalblog.com/2014/11/14/dina-makram-ebeid-labor-struggles-and-the-politics-of-value-and-stability-in-a-factory-occupation-in-egypt/&gt;. Marx’ Beschreibung einer flüssigen Überschussbevölkerung nimmt besonders den Alterungsprozess von Arbeitskraft in den Blick. Zu seiner Zeit waren Arbeiter ab einem bestimmten Alter körperlich nicht mehr in der Lage, den Anforderungen des Produktionsprozesses nachzukommen. Heute hat sich die Situation deutlich gewandelt, insofern das Kapital in einem ausufernden Dienstleistungssektor, besonders in Fast-Food-Restaurants, auch die Älteren in niedrig bezahlten Teilzeitjobs unterbringt. Vgl. »Low-Wage Workers Are Older Than You Think«. <http://www.epi.org/publication/wage-workers-older-88-percent-workers-benefit&gt;; »In Tough Economy, Fast Food Workers Grow Old«, <http://www.nbcnews.com/feature/in-plain-sight/tough-economy-fast-food-workers-grow-old-v17719586&gt;.

[24]         Die steigenden Sozialausgaben und ihr Gebrauch durch Proletarier, die so Einkommen und Löhne zu entkoppeln suchten, war eine weitere Manifestation des damaligen proletarischen Aufbegehrens.

[25]         Robert Kurz, »Doppelte Entwertung«, in: Neues Deutschland, 5.3.2012, <http://www.exit-online.org/textanz1.php?tabelle=aktuelles&index=3&posnr=551&gt;.

[26]         Zum Zusammenhang zwischen Währungsabwertungen und den Migrationsbewegungen des Surplus-Proletariats im ehemaligen Ostblock, vgl. »Russian Rouble Crisis Poses Threat to Nine Countries Relying on Remittances«. <http://www.theguardian.com/world/2015/jan/18/russia-rouble-threat-nine-countries-remittances&gt;.

[27]         Ein besonders eindrückliches Beispiel dafür ist die Unternehmerpropaganda für eine Kopplung von Löhnen an die Profite unter der Rubrik der Bekämpfung von Ungleichheit. C.f. »Fiat Chrysler CEO Takes Aim at Two-Tier Wages for UAW Workers«. <http://www.wsj.com/articles/fiat-chrysler-ceo-takes-aim-at-two-tier-wages-for-uaw-workers-1421080693&gt;. »Fiat Chrysler Sets Bonus Scheme for Italian Workers«. <http://www.thelocal.it/20150417/fiat-chrysler-sets-bonus-scheme-for-italian-workers&gt;.

[28]         Diese Frage erörtern mit Blick auf die historische Überholtheit der Form der Arbeiterpartei Aaron Benanav/Joshua Clover, »Can Dialectics Break BRICS?«, South Atlantic Quarterly (2014),http://krieger.jhu.edu/arrighi/wp-content/uploads/sites/29/2014/03/Can-Dialectics-Break-BRICS_JHU.pdf.

[29]         World Bank. »Labor force participation rate, total (% of total population ages 15+) (modeled ILO estimate)«, <http://data.worldbank.org/indicator/SL.TLF.CACT.ZS/countries/CN?display=default&gt;.

[30]         Endnotes, »Elend und Schulden«, Kosmoprolet 4 (2015), S. 81

[31]         Einen guten Überblick über die Ursprünge des heutigen latenten Surplus-Proletariats in China bietet »Land Grabs in Contemporary China«, <http://libcom.org/blog/china-land-grabs&gt;.

[32]         Zu bedenken ist auch, dass die globale Arbeitsteilung oder Segmentierung der Kapitalakkumulation naturgemäß auch die Dynamik von Kapital und Arbeit in einzelnen Ländern verändert. China spielte lange Zeit die Rolle eines Landes mit niedriger organischer Zusammensetzung und großen arbeitsintensiven Industrien. Wenngleich sich dies zurzeit ändert, bedeutete seine Industrialisierung der letzten Dekaden die Produktion eines Surplus-Proletariats im Rest der Welt. In den einschlägigen Erzählungen über die Weltwirtschaft der 2000er Jahre wurde beständig über eine Kapitalflucht geklagt, durch die Industriearbeitsplätze gen Osten, in Regionen mit einer stärkeren Entwertung von Arbeitskraft verlagert wurden. Im Ergebnis führte dies zu einer Abwertung industrieller Arbeitskraft in Westeuropa und den Vereinigten Staaten. Insofern bedeutet die Proletarisierung der chinesischen Bevölkerung – die zugleich die Produktion eines Surplus-Proletariats im eigenen Land ist – auch die Erzeugung von Überbevölkerung in anderen Teilen der Welt.

[33]         Im Austausch für das immense Produktivitätswachstum und die Verbilligung von Waren, die aus der kriegsbedingten massiven Kapitalentwertung resultierte, bescherte diese historische Periode dem Proletariat eine größere Kaufkraft und somit stärkere Integration in die Konsumsphäre. Wenngleich der Wert der Ware Arbeitskraft relativ zum produzierten Gesamtwert sank, konnte der Reallohn absolut steigen. Diese Tendenz ging zudem mit direkten Subventionen der Produktion und einem Anstieg des indirekten Lohns des Proletariats einher, das so den Luxus erlebte, für seine Arbeitskraft einen Preis geringfügig über dem absoluten Reproduktionsminimum zu erzielen. Mit indirekten Löhnen sind staatliche Ausgaben wie Sozialleistungen und Renten gemeint, die darauf abzielen, die Reproduktion der Arbeitskraft im gesamtgesellschaftlichen Maßstab abzusichern.

[34]         Aufschlussreiche Reflexionen über die Aussichten von Syriza in Griechenland bietet Cognord, »Is it Possible to Win the War After Losing All the Battles?«, <http://www.brooklynrail.org/2015/02/field-notes/is-it-possible-to-win-the-war-after-losing-all-the-battles&gt;.

[35]         Das jüngste Beispiel dafür in Spanien schildert »Spanish government prepares new National Security Law«, <https://www.wsws.org/en/articles/2015/02/11/spai-f11.html&gt;.

[36]         Das Los von Proletariern, die sich als Mittelschicht begreifen, besteht in der ständigen Angst, für den Ausbeutungsprozess überflüssig zu werden. Dies wird als ein politisches Problem dargestellt, oftmals unter der Rubrik einer globalen Bürgerschaft. Die Bewegung der Platzbesetzungen von 2011, die durch Probleme der Stadtentwicklung, der öffentlichen Infrastruktur und durch Repression ausgelöst wurde, hatte darin eine zentrale Dynamik. Einerseits verliert der Staat seine Integrationskraft, andererseits wird in den sozialen Bewegungen die Notwendigkeit einer neuen Form politischer Vermittlung formuliert. Generell kann gesagt werden, dass sich die Welle von Kämpfen von 2008 bis 2012 durch eine Konfrontation mit dem Staat als primärem Gegner auszeichnete.

[37]         Auch deshalb sollte Marx‘ gelegentliche Sorge über den reaktionären Charakter des sogenannten Lumpenproletariats überprüft werden.

[38]         Natürlich existiert auch ein Verständnis des Proletariats als seinem Wesen nach immer schon fragmentiert. Es bezieht sich auf die allgemeine Lage einer Trennung von den Mitteln der Produktion und Reproduktion sowie auf die diversen wertförmigen Vermittlungen, die die Tätigkeit des Proletariats zu einer entfremdeten Macht über und gegen es machen. Aber so grundlegend solche Trennungen als Voraussetzungen des Tauschverhältnisses auch sein mögen, bieten sie uns wenig Aufschluss darüber, wie sich die Fragmentierung des Proletariats im heutigen Kapitalismus entwickelt.

[39]         Das heißt selbstverständlich nicht, dass Kämpfe in der Produktionssphäre nicht mehr wichtig wären, sondern nur, dass sie in einem veränderten historischen und gesellschaftlichen Kontext der Klassenzusammensetzung eine andere Bedeutung annehmen. Sie lassen sich daher nicht als Wiederkehr der alten Arbeiterbewegung verstehen. Die wichtigere Frage lautet, ob solche Kämpfe ein Moment der Negation des Klassenverhältnisses in all seinen Vermittlungen aufweisen.

Trapped at a Party Where No One Likes You (EN)

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When considering unemployment, social exclusion or precarity, it is inadequate to simply take refuge within the empirical question of which groups live under these conditions. Contemporary sociological identities are themselves forms of appearance, moments of the totality of the reproduction of the capital-labor relation and therewith in the devaluation of the labor-power commodity presently unfolding through the category of the surplus proletariat.

Introduction

At the outset of 2015, anyone hoping for a recovery of labor markets is told to lower their expectations.[1] Specious apologetics on the resilient turnaround of unemployment rates and job creation stumble against continuously revised growth forecasts reflecting the inertia of both high-GDP and emerging market economies. On a global level, the period since the crisis of 2007-08 has witnessed, at best, tepid economic activity despite unprecedented monetary stimulus and liquidity injection. Business investment remains predominantly stagnant, most recently with energy producers dramatically cutting back total capital investment.[2] Even China is stuttering and decreasing its appetite for raw materials[3], while the professed German success story cannot be read without the unfolding process of precarious capital concentration of a rapidly declining Eurozone, rather than as an indicator for lasting growth.[4] At the same time, the world economy continues its recourse in unrestrained leveraging[5], further exacerbating credit-to-GDP ratios, with, according to a recent report by the International Centre for Monetary and Banking Studies, total public and private debt reaching 272% of developed-world GDP in 2013.[6]The recent alarm of deflation means a rise in the real value of existing state, corporate, and household debt. Corresponding to the fiscal approach of higher budget deficits is, since 2010, the outright purchasing of government, corporate and real estate bonds by central banks and paid for with newly printed money – i.e. ‘quantitative easing’. The European Central Bank has, most recently, followed the Federal Reserve, the Bank of England and the Bank of Japan in the latter policy despite the fact that it has yet to demonstrate itself as an effective response to decelerating economies. Instead, the money created enters into the banking system, shoring up balance sheets on finance capital and fomenting bubbles within assets held.

These conditions outline the phenomenal contours of the present crisis of capital accumulation, which is at the same time a crisis of the reproduction of the capital-labor relation. Since the economic restructuring of the 1970s, deregulation has expanded the flexibility of labor markets and fundamentally reoriented the conditions of the class relation. While unemployment remained relatively abated during the postwar period – alongside the assurances of the welfare state – developments in capital accumulation since then have witnessed an unprecedented ascendance, in terms of duration and concentration, of both unemployment and underemployment.[7] Since the early 1970s and through the dismantling of the Keynesian wage-productivity deal of the postwar period, the capitalist mode of production has been stumbling to combat the anguish of diminishing returns. Its recourse of economic restructuring consisted in the expansion of finance capital and increasing the rate of exploitation in an attempt to stabilize and defer its own inherent propensity to undermine the process of self-valorization. The 21st century thereby opened with a reign of labor-power devaluation that has only intensified its duress, which, alongside fiscal and sovereign debt crises expressed in austerity, continues to wield unrelentingimmiseration.

Materially, the crisis of 2007-08 has only worsened the conditions of labor with, for example, the labor participation rate in the US now at a 36-year low[8], eclipsing any earnestly lauded low-wage job creation and its feeble average hourly earnings. For that segment of the proletariat not losing their jobs or dropping out of the labor force altogether – for which unemployment statistics have very little to say – the types of employment still available are largely temporary, part-time, seasonal, freelance, and in general, precariously informal without contractual guarantee of compensation. Thus, as the present moment finds an overcapacity of surplus capital unable to find lasting investment, the effective demand for labor-power follows suit and diminishes. Through the critique of political economy, this phenomena finds systematic expression in what Marx refers to as the “general law of capital accumulation”. Here, the proportional expansion of total capital, itself resulting from the productivity of labor and therewith in the production of surplus value, yields a mass of workers relatively redundant to the needs of the valorization process. This tendency arises simply from the nature of capital.[9] As capital develops labor as an appendage of its own productive capacity, it decreases the portion of necessary labor required for a given amount of surplus labor. Therefore, the relation of necessary labor needed by capital continuously declines. This occurs through the organic composition of capital in which competition between competing capitals induces the generalization of labor-saving technologies such as automation, thereby increasing constant capital at the expense of variable capital, resulting in a relative decline in the demand for labor.[10] The production of this relative surplus population is the devaluation of the total labor-power that takes on the form of a dislodgement of workers from the production process and in the difficulty of absorbing them through customary or legally regulated channels. If the labor-power of the proletariat cannot be realized, i.e. if it is not necessary for the realization of capital, then this labor capacity appears as external to the conditions of the reproduction of its existence. It turns into a crisis of the reproduction of the proletariat who is surrounded, on all sides, by needs without the means to adequately satisfy them.[11]

Friends have pointed out that surplus population is a necessary product of capital accumulation and therefore a structural category deriving from the ratio of necessary and surplus labor. It is a tendency that is always already there and inherently constitutive of the capital-labor relation independent from its historical configurations. So why might one justify its emphasis within the present conjuncture? After all, the notion of a surplus population “is already contained in the concept of the free labourer, that he is a pauper: virtual pauper.” (Grundrisse) The task therefore remains to demonstrate why the relative surplus population is paradigmatic of the class relation in the present moment and what are the implications for contemporary class struggle.

The difficulty of a category

After the restructuring of 1970s, the foregoing spectacular representation of expanding prosperity and full employment, which would ostensibly lead to greater and more stable social integration into the spheres of production and consumption, reversed. Since this retraction, the undiminished centrality of production is confronted with a structurally distanced and weakened position of those employed. During the postwar period of the Situationists’ critique, the spectacular appearance of the proletariat had shifted from its role as workers to that of consumers. Today, the spectacular image of proletarian conditions instead appear as an “exclusion”, referring to parts of the population unlikely to ever be exploited under conditions that would make them respectable consumers. When describing the general law of capitalist accumulation, Marx observes stagnant, floating, latent and pauperistic tendencies within his elucidation of the relative surplus population. Thus, even beginning with Marx, the phenomenon of surplus populations elicits a heterogeneity of contemporary working conditions in more or less dynamic oscillation between the poles of employment and unemployment. From the erratic nature of seasonal, part-time, informal and freelance work[12], to the treacherous ruse of entrepreneurialism under “sharing economy”[13] and unpaid internship regimes; from the labor migrations of the countryside to the slum-dwellers of the urban metropolises; from the indentured parody of student debt and political Islam[14], to the universal uncertainty facing younger generations – as a whole, the proletariat today is colored by an unprecedented objective imperative of significant labor-power devaluation that puts its conditions of reproduction into total ambiguity. As such, dividing an absolute line between employment and unemployment for grasping the dynamic of surplus population appears grossly inadequate for comprehending its logic as emanating from the historical development of capital accumulation. Instead, in order to resist the temptation to simply focus on the immediacy of the given – and with it the enchantment surrounding the moniker “concrete” – we attempt to elucidate the essence of the concept of relative surplus population as a category of social mediation unfolding the self-reproducing totality of capital.

Adorno observes that “[s]ociety becomes directly perceptible where it hurts.” In fact, there is no shortage of sensationalized and emotionally arousing imagery presenting its audience with the conditions of structural unemployment. Temptations abound to hold fast to the immediacy of moralistic categories of discrimination, exclusion and expulsion that can, at best, promote the equitable distribution of exploitation. Celebrated political agents such as the “multitude”, “precariat” and “excluded” – all seeking, at heart, to triumph over inequality under the horizontalist banner of full employment – obscure the truth of the class relation while praising a narrow practicism in the service of that which is simply the case.[15] Symptomatic of these surface-level observations is the withdrawal from communism to egalitarianism and communitarianism, from critique to moral concern. Identitarian divides along a hierarchy of privilege or oppression carry little conceptual weight beyond the tokenized glorification of those at the margins and in the reification of deprivation. While the essence of a category cannot but be apprehended through its forms of appearance, critical reflection is impelled to move beyond those immediacies without leading into empty abstractions.[16]

Marx’s conception of the relative surplus population refers to a structural phenomena of a contradictory totality and is not your run-of-the-mill sociological category. As such, the empirically given conditions of the capitalist mode of production are only moments that methodologically disclose objective law-like tendencies for which capital posits its own conditions of existence. As has been said before, “[t]he concrete is concrete because it is the concentration of many determinations, hence unity of the diverse.” (Grundrisse) The categories of the critique of political economy cannot be reduced to an overtly empiricist perspective for which quantitative facticity reigns. Against the positivism of presuming the existence of social facts in themselves, the immediacy of the conditions of surplus populations must reveal deeper mediations. These deeper mediations can be found in the concept of class insofar as class does not refer to a collection of individuals sharing common attributes such as income, consciousness, cultural habits, etc., but is instead an inherently antagonistic relation between capital and labor that structures the lives of individuals.[17]Strictly speaking, there can be no such thing as class “membership”. Such an understanding cannot help but wield the perspective of totality without which class collapses against a spatial schematic of discrete social “spheres”, “levels” or “instances”. There is no mono-causal determination, but different moments of a totality of the class relation of capital-labor of which the phenomenon of relative surplus population is derivative.

In analyzing surplus population, it becomes clear that an ordered aggregation of social tragedy elevated through quantitative facticity is not a substitute for immanent criticism. The concept of relative surplus population is not an empirical category and yet incorporates the concrete within itself. As both concrete and abstract, the relative surplus population is at once both a directly observable and universal component of the accumulation process.[18] The surplus proletariat is a qualitative category of the productivity of labor in the capitalist mode of production that has quantitative dimensions because the productivity of labor is determined by the ratio of constant and variable capital. Without this understanding, one risks regressing into the assumption that the employed and unemployed constitute two different segments of the population, rather than a dynamic of the capital-labor relation. This dynamic is characterized by the insecurity in realizing labor-power against capital’s prerogative to increase surplus labor, and not as a sociological taxonomy for which individuals are organized. It has been observed that Mike Davis’ useful characterization of the phenomenon as a “continuum”, rather than as a sharp boundary between the employed and unemployed, is a more suitable description.[19] By defining the surplus proletariat as a continuum, one is capable of grasping the phenomenon as a general dynamic that exists of the capital-labor relation, one which signifies individuals frantically moving along the spectrum of unemployment, underemployment and employment at an unprecedented rate of precarious transitioning. For this, the surplus proletariat expresses the truth of class mobility. The point is to break down a rigid separation between employed and unemployed as if these were static social positions within the economy. The problem of the surplus proletariat is not reducible to the seemingly simple question of who works and who does not, but a dynamic that runs through and constitutes each of these positions. Expulsion from the formal labor markets derives from a contradiction embedded within the wage relation itself. Those suffering from chronic unemployment are part of production as much as they are its product. Unemployment must therefore be grasped as a category of exploitation and not external to it. Additionally, diffuse underemployment translates into both a disciplining mechanism by capital for those that are employed in seemingly stable positions and as a means for lowering the value of labor-power and increasing the rate of exploitation. Contractual workers have to “discover that the degree of intensity of the competition among themselves depends wholly on the pressure of the relative surplus population” (Marx). In this way, there is nothing superfluous about the surplus proletariat. The surplus proletariat is actually a dynamic within the proletariat qua concept. Because of this, it can further be said that, like the objective antagonism of the class relation itself, the structure of surplus proletariat permeates the lives of every individual in differentiated ways and yet, is not reducible to identity. The totality of the surplus proletariat, as it derives from the capital-labor relation and in the imperative to devalue the total value of labor-power, is present within all individuals.[20]

The surplus proletariat at present

The novelty of the production of the surplus proletariat within the present moment can be respectively approached from the tripartite perspectives of labor, capital and state, each of which reveal nuances about the present gap between the supply and demand for labor. Present accessibility to contracting labor markets is wrought with the conditions of a flexibilized workforce and casualized employment contracts to an extent that effectively renders most employed already half unemployed. The activity of the surplus proletariat presupposes its exclusion from the market as a precondition for its entrance. The renewed trumpet of entrepreneurialism, for which anybody can become a teacher, taxi driver or motel manager, is only the language of a labor force intensifying its internal competition. Self-employment, while once appearing as a sign of success, now signals the procession of atomization marching steadfast into utter peril. Further, since the 1990s, those living near or below the poverty line as a result of mediocre labor markets have become increasingly reliant on low-interest rate consumer credit in order to augment the languishing strength of wages.

For all of this, it can be said that the restructuring has qualitatively shifted the proletariat from virtual pauper unto what has been described as its concretelumpenization.[21] If, during the mid-19th century, the surplus proletariat consisted in the potential pauperization of the free-laborer, the restructuring of the 1970s-80s has established the concrete realization of the virtual pauper as a permanent condition of the proletariat in its relation to capital. As such, the surplus proletariat refers to the current position of labor-power in its difficulty in confirming and realizing its sociality through – and because of – the wage relation. Further, the antagonistic relations of the surplus proletariat tend to express themselves along gender, racial and generational lines.[22]

These developments within labor markets signal a crisis of the reproduction of the labor force. Indeed, for Marx, writing in the Grundrisse, it is the means of employment that characterizes the surplus proletariat: “this should be conceived of more generally, and relates to the social mediation as such through which the individual gains access to the means of his reproduction and creates them.” Attempts to simply define the surplus proletariat as a specific location within the production process falls short of grasping its dynamic in accordance with a form of social mediation and in relation to the sphere of reproduction. If, in the present moment, capital no longer guarantees the regularity and sufficiency of the wage relation in the reproduction of labor-power, the proletariat enters a crisis at the level of its own reproduction. The surplus proletariat is thereby the expression of capital’s attack on the reproduction of labor-power, a position of stark contrast to postwar social democracy for which stronger wages and larger state welfare expenditure characterized the conditions of exploitation. During this time, capital refused its deal between itself and labor, which had aimed at an integration of labor into the process of accumulation. It can also be said that this rupture in the reproduction of the class relations was a reaction of capital on the cycle of class struggles of the 1960s-70s in which the proletariat put pressure on the preceding wage-productivity deal by succeeding in acquiring massive wage increases and thus raising the costs of the reproduction of labor force.[23]In contrast to this situation, the present expression of the surplus proletariat is the permanent devalorization of labor-power inextricably connected to the depreciation of capital currently accelerating within the crisis. The proletariat of the global slums and ghettos is only the condensed form of this overall crisis of reproduction. This process, in what the late Robert Kurz has referred to as a “spiral of devalorization”[24], outlines the contours of an era of lagging growth alongside the proliferation of the surplus proletariat and its crisis of reproduction.[25] The safest prediction is incremental deterioration lasting decades.

As a dynamic of the capital-labor relation, the relative surplus proletariat emanates from the present crisis. Simply invoking the “industrial reserve army” – for which the term reserve and its association with a potential trajectory of implementation no longer captures the conditions of the surplus proletariat – does not reveal much about the present conjuncture – that is, that the growth of the surplus proletariat cannot be understood as an exclusive crisis of labor but indicative of the present limitations of capital accumulation.[26] This crisis accelerates capital to make labor more productive to lower the portion of necessary labor, which means – in Marxian terms – to increase the organic composition of capital. The other side of the coin is that this development is also undermining capital’s own precondition for valorization: human labor force.

Furthermore, any industrialization that has taken place over the last decades – largely stimulated by the liberalization of finance capital – is hardly labor-intensive and employs a proportionately smaller number of proletarians compared to earlier periods and industries of the 20th century. For instance, when considering the economic growth of the BRICS markets (Brazil, Russia, India, China, and South Africa), of course it can be observed that in these areas capital accumulation has, as of late, proceeded at quicker rates than those economies that developed at an earlier period. Indeed, these countries, most notably China and India, have seen accelerating growth rates accompanied by considerable geographical shifts in global manufacturing output and employment. However, within these markets and since the 1980s, there is only a slight increase in industrial employment as a portion of the total employment[27], with nonagricultural employment predominantly moving towards service sectors, most notably in Brazil. As a percentage of, for example, China and India’s total workforce, the proportion of manufacturing employment barely approaches 15%. Additionally, in China since the 1990s, there has been a gradual decrease in the number of proletarians active within the production process relative to the total population.[28] Here, despite the fact that there has been expanding industrial operations within China during this period, this has not resulted an automatic increase in the size of its workforce, but rather in its decline. As China thereby loses manufacturing jobs in its older industries, relocating to areas of even greater labor-power devaluation in Southeast Asia (e.g. Cambodia, Vietnam, Bangladesh), the newly emerging industries “have absorbed tendentially less labour relative to the growth of output.”[29] Here, Marx’s description of the latent surplus population bears a noteworthy resemblance to the urbanized and migrating labor force of the Chinese surplus proletariat[30] whose forced expeditions across both countryside and continents – itself the result of the capitalization of agriculture – are plagued by uncertainty.[31]

The global stagnation of the number of industrial workers as a percentage of the total workforce correlates with an expanding low-wage service sectors characterized by the labor flexibility of the surplus proletariat. As such, while the capitalization of emerging markets might reduce the absolute number of poor in these countries, this process predominantly entails the proliferation of low-wage work. Telecommunications and computerization in India might yield higher rates of GDP, but increasing underemployment remains the rule. Further, in the past, the state expenditures of the BRICS countries concealed the reality of an industrialization that is not absorbing a workforce at a rate congruent with the rate of accumulation. These safety nets, which often took the form of subsidies for staple commodities, are now largely dissolving through privatization and austerity.

The main problem for capital in the contemporary crisis could be expressed in the following tautology: Capital is forced to make labor more productive and needs more capital to do so. However, against the historical background of an already very high organic composition, the minimum amount of capital needed to invest in order to receive a certain return of profit is too high. As such, to get more capital needed for investment, capital has to make labor more productive. Because of this tautology or aporia, capital increasingly flees the sphere of production and finds refuge investing in financial markets where it seems easier to acquire profits out of monetary, state treasury, or housing market speculation, etc. This tendency can also be described as an escape from the strict regimentations of the law of value – an escape that can never be, in the end, successful.

The present crisis takes on the appearance of a general devalorization that, besides entailing reconfigured terms of exploitation, elicits fiscal deadlocks resulting from exorbitant deficit spending. The state is at once both the precondition, and result of, conditions of capital accumulation. The present crisis of capital expresses itself as a crisis of the state, which in turn, appears as monetary stimulus, liquidity injection, austerity and, in the end, repression. Police are concentrated in areas emptied of capital. Within this context, state administration of the surplus proletariat corresponds to a globalized geographical zoning of labor forces expected to take on mounting importance in accordance with, for example, massive immigration and refugee flows, as well as an urban and suburban social division of labor.

Since the Second World War, the alleviation of crisis was implemented in the form of a massive destruction and devaluation of capital. Thereafter, the state was primarily geared at stabilizing the crisis by ever-increasing deficit spending, which in turn, secured the Keynesian wage-productivity deal between capital and labor.[32] While this deal would eventually come to a close in the crisis of 1970s, the period of 2007-08 affirmed the frivolity of such an approach in achieving real economic growth. Currently, the function of the state, regardless of its social democratic posturing[33], is continued austerity through which the state lowers its share of the cost for the reproduction of labor force – a policy that inevitably results in more criminalization and repression.[34] The state as a mediating moment of total labor-power devaluation can be most potently witnessed at present within Southern European countries for which creditors compel governments to, for example, reduce the amount of public holidays, overtime rates and severance packages, dissolve collective bargaining agreements, and generally rollback public expenditure on welfare programs, i.e. the indirect wage. Here, the state loses its integrating force as the possibility of political mediation tendentially disappears. It is therefore no coincidence that social struggles in recent years increasingly consist in a direct confrontation with the state.[35] In the past, the state was the stabilization of crisis. However, the Keynesian solution is no longer an option because of state insolvency after having subsidized the private sphere and heavy borrowing throughout the postwar period. In the past, the reproduction of the surplus proletariat could be mediated by the revenue of preexisting surplus value distributed through state expenditures and social benefits. In such a scenario, more plausible prior to the economic restructuring of the 1970s, the indirect wage of the surplus proletariat was filtered through the taxation of private enterprises. Now however, the state itself is in crisis and can no longer guarantee the reproduction of labor-power. This inability is an expression of the global devaluation of labor-power, leading to the unrivalled eruption of a generation of surplus proletarians with a bleak future.

The struggle of the surplus proletariat

Against the flippancy of mixed signals, we might now forewarn readers to withhold two concerns that may arise – potential dead-ends which, in essence, express two sides of the same coin: the idealization of labor either in its past glory or in its present volatility. Firstly, the foregoing discussion of the phenomena of surplus proletariat within the present moment is not to be understood as a lamentation on the marginalization of what is often imagined as a classical productive worker with a heavy hand at the bargaining table that may have characterized previous periods. If anything, the present conjuncture and the dynamic of the surplus proletariat signal a poverty of the workerist perspective. The point is not to attempt a restoration of prior conditions of exploitation, but to confront the historical limits of the reproduction of the class relation today. The production of communism is not the glorification of labor but its abolition. The internal opposite of this directionless mourning is the elevation of the conditions of the surplus proletariat into a unique revolutionary subject capable of feats for which others lucky enough to maintain preceding conditions of exploitation are structurally prohibited. The proliferation of riots within the present moment as an addendum to the development of the surplus proletariat does not necessitate a romantic projection that distinguishes an identitarian agent closer to communism than those more fortunate.[36] Even those most satiated can be recalled at their worst.

The dynamic of the surplus proletariat is a dynamic of the fragmentation of the proletariat – that is, a process that reconfigures the total labor force in accordance with the changing conditions of capital and its devaluation of labor-power, effectuating internal transformations to the proletariat as a whole and to its differentiated relations to the production process.[37] As a result, contemporary class struggle is frequently comprised by participants originating from varied backgrounds and experiences, often in conflict with one another. This inter-classism can perhaps most notably be seen in the conflicts surrounding what is on occasion referred to as “middle-strata” and in its angst at sinking into less favorable conditions of exploitation. Its crisis, which includes its appeal to fairer economic distribution, is itself a moment of the totality of the surplus proletariat, i.e. in and through the internal fragmentation of the proletariat. The present problem of the surplus proletariat thereby evokes the question of inter-classism as a dynamic within the contemporary struggles of the proletariat whose fragmentary nature often appears as its own limit.

This problem has often been described as a problem of composition, i.e. as the complexity of unifying proletarian fractions in the course of struggle. Indeed, the content of revolution no longer appears as the triumph of overflowing proletarian class power as it might have during the first half of the 20th century.[38] Struggles whose site of conflict is less the realm of production, but increasingly the sphere of reproduction, expresses this development. The Arab Spring, Indignados, Occupy, Taksim, Maidan and the heterogeneous riots abroad, for example, have not seen the affirmation of the workers’ identity in conflict with capital, but rather the unavailability of constituting a unifying identity in the dynamics of these movements. The recent racial upheaval against the police in the US, most notably in Ferguson and Baltimore, shares little in common with the employment ambitions of yesteryear. This is further corroborated by the expansion of the surplus proletariat alongside the increase in surplus capital and an overcapacity unable to find lasting investment. The workers’ movement no longer provides consistency to class struggle. As such, fragmentation emerges as a new class consistency. Contemporary struggles express themselves less as a unity than as an aggregate of segmented interests sharing various affinities through material reproduction (evictions, food prices, transportation costs), abstract demands (“corruption”, “inequality”, “injustice”), or through self-sacrificing identifications with false fragments impersonating the social whole (with either national or religious sects). As a result, what was in the past the centrality of the wage-demand characterizing the struggles of the previous period has become tangential. The surplus proletariat, as a dynamic of class struggle in the present moment, cannot harbor the dreams of a Keynesian class compromise. The class affirmation of the proletariat is perpetually on the defense.

When considering the concept of the surplus proletariat within the context of class struggle, the preceding discussion should have made clear that it is not simply an empirical question of who these groups are in their composition. Contemporary sociological identities are themselves forms of appearance, moments of the totality of the reproduction of the capital-labor relation and therewith in the devaluation of the labor-power commodity presently unfolding through the surplus proletariat. The more important question for communist theory is what the personifications of the category of the surplus proletariat doagainst who they are – i.e. as an immanently negative force of their own proletarian condition as a class against itself in its crisis of reproduction. The discussion remains open as to how the concrete development of the surplus proletariat, which is at the same time the developing crisis of capital, intensifies the division and fragmentation of the proletariat, and along which lines does it do so within contemporary struggle (e.g. antagonisms between geographical locations, between a skilled and unskilled labor force, through the stigmatizations of age, race and gender, etc.). The concept of the surplus proletariat thereby elicits the more important question of how, within the present moment, the expropriated and exploited class – in spite of its intensifying divisions – can act in and against itself as a class of capital. In this way, the surplus proletariat is simply only the most contemporary appearance of the proletariat itself – one whose essence remains that of being unified in its separation from the means of its own reproduction.

Frankfurt am Main, Spring 2015

[1] Most notably, “[t]he International Monetary Fund has cut its growth forecasts for the global economy on the back of a slowdown in China, looming recession in Russia and continuing weakness in the eurozone.” <http://www.theguardian.com/business/2015/jan/20/imf-cuts-global-economic-growth-forecast>. Additionally, the International Labor Organization “forecasts a grim employment picture for the global

economy as a whole over coming years.” <http://blogs.wsj.com/economics/2015/01/21/world-economy-needs-280-million-jobs-in-next-five-years-ilo-says/>. Expectations for Latin America fare no better as the IMF “said it expects economic contraction in Venezuela and Argentina and growth of just 0.3 percent in Brazil in 2015, and it also lowered its forecast for Latin American growth in 2016 to 2.3 percent, down from 2.8 percent.” <http://laht.com/article.asp?ArticleId=2370538&CategoryId=12394>. Brazil’s economy in particular nears implosion as “economists for the fourth week in a row raised their inflation forecast for this year and lowered their estimate for economic growth.” <http://www.bloomberg.com/news/articles/2015-01-26/brazil-economists-raise-2015-cpi-cut-gdp-for-fourth-week-in-row>. Nor is northern Europe immune to slowdown as “Sweden’s government cut its economic growth forecasts and predicted it will fail to reach a budget surplus over the next four years.” <http://www.bloomberg.com/news/articles/2015-01-20/sweden-cuts-gdp-forecast-as-deficit-seen-stretching-past-2018>.

[2] “Chevron Tightens Belt as $40 Billion Makeover Sweeps Oil Sector”. <http://www.bloomberg.com/news/articles/2015-01-30/chevron-profits-fall-to-lowest-since-2009-as-oil-prices-collapse>.

[3] “We Traveled Across China and Returned Terrified for the Economy”. <http://www.bloomberg.com/news/articles/2015-04-09/we-travelled-across-china-and-returned-terrified-for-the-economy>.

[4] The allegedly “stable” economic boom in Germany is based on the restructuring of the labor market of the last decade that resulted in a significant decrease in the cost for the reproduction of the social labor force. <http://foreignpolicy.com/2015/05/05/rich-germany-has-a-poverty-problem-inequality-europe>. Additionally, an economy predominantly based on exports to other countries, the purported resilience of the German economy can end very rapidly with the next downturn in the global economy because of its export dependency and low wages. <http://blogs.lse.ac.uk/eurocrisispress/2015/03/12/germany-the-giant-with-the-feet-of-clay/>.

[5] “Debt mountains spark fears of another crisis”. <http://www.ft.com/intl/cms/s/0/2554931c-ac85-11e4-9d32-00144feab7de.html#axzz3QuNTKwet&gt;.

[6] “Deleveraging, What Deleveraging? The 16th Geneva Report on the World Economy”. <http://www.voxeu.org/article/geneva-report-global-deleveraging>. Southern European countries in particular have seen their debt-to-GDP ratios climb 15% in the last 3 years. “Germany faces impossible choice as Greek austerity revolt spreads.” <http://www.telegraph.co.uk/finance/economics/11407256/Germany-faces-impossible-choice-as-Greek-austerity-revolt-spreads.html>. Most notably as of late is China’s debt, which, now at 282% of GDP, has quadrupled since 2007 and is, alongside latent overcapacity, predominantly attributable to an overheated real-estate market. “Debt and (not much) deleveraging”. <http://www.mckinsey.com/insights/economic_studies/debt_and_not_much_deleveraging> and “How addiction to debt came even to China”. <http://www.ft.com/intl/cms/s/0/585ae328-bc0d-11e4-b6ec-00144feab7de.html#axzz3SjqvVqAV>.

[7] “Most of the world’s workers have insecure jobs, ILO report reveals”. <http://www.theguardian.com/business/2015/may/19/most-of-the-worlds-workers-have-insecure-jobs-ilo-report-reveals&gt;.

[8] “The December Jobs Report in 10 Charts”.http://blogs.wsj.com/economics/2015/01/09/the-december-jobs-report-in-10-charts>.

[9] As Marx writes, “Die Vermehrung der Produktivkraft der Arbeit und die größte Negation der notwendigen Arbeit ist die notwendige Tendenz des Kapitals.” (Grundrisse)

[10] Here it is worth emphasizing the relativity of this decline – that is, even if capital quantitatively increases the number of people employed, the general law of capital accumulation posits that it will do so proportionately slower than the overall rate of accumulation. This means that “the working population always increases more rapidity than the valorization requirements of capital”, and that “in proportion as capital accumulates, the situation of the worker, be his payment high or low, must grow worse.” (Das Kapital Band I)

[11] As Marx writes: “Das Arbeitsvermögen kann nur seine notwendige Arbeit verrichten, wenn seine Surplusarbeit Wert für das Kapital hat, verwertbar für es ist. Ist diese Verwertbarkeit daher durch eine oder die andre Schranke gehemmt, so erscheint das Arbeitsvermögen selbst 1. außer den Bedingungen der Reproduktion seiner Existenz; es existiert ohne seine Existenzbedingungen und ist daher a mere encumbrance; Bedürfnisse ohne die Mittel, sie zu befriedigen; 2. die notwendige Arbeit erscheint als überflüssig, weil die überflüssige nicht notwendig ist. Notwendig ist sie nur, soweit sie Bedingung für die Verwertung des Kapitals.” It should further be emphasized that this forceful compulsion of need satiation is a result of this crisis of the exchange relation: “daß es also die means of employment und nicht of subsistence sind, die ihn in die Kategorie der Surpluspopulation stellen oder nicht. Dies ist aber allgemeiner zu fassen und bezieht sich überhaupt auf die soziale Vermittlung, durch welche das Individuum sich auf die Mittel zu seiner Reproduktion bezieht und sie schafft; also auf die Produktionsbedingungen und sein Verhältnis zu ihnen.” (Grundrisse)

[12] “One in Three U.S. Workers Is a Freelancer” <http://blogs.wsj.com/atwork/2014/09/04/one-in-three-u-s-workers-is-a-freelancer/&gt;.

[13] “Against Sharing”. <https://www.jacobinmag.com/2014/09/against-sharing&gt;.

[14] “ISIS Paying Off Student Debt to Lure American Recruits”. <http://dailycurrant.com/2015/01/20/isis-paying-off-student-debt-to-lure-american-recruits&gt;.

[15] As Adorno writes: “Nominalism is perhaps most deeply allied with ideology in that it takes concretion as a given that is incontestably available; it thus deceives itself and humanity by implying that the course of the world interferes with the peaceful determinacy of the existing, a determinacy that is simply usurped by the concept of the given and smitten with abstractness.” (Aesthetic Theory)

[16] As Zamora writes, “the categories of “the unemployed,” “the poor,” or the “precarious,” are swiftly disconnected from being understood in terms of the exploitation at the heart of capitalist economic relations, and find themselves and their situation apprehended in terms of relative (monetary, social, or psychological) deprivation, filed under the general rubrics of “exclusion,” “discrimination,” or forms of “domination.””. Zamora, Daniel. “When Exclusion Replaces Exploitation.” <http://nonsite.org/feature/when-exclusion-replaces-exploitation&gt;.

[17] C.f. Gunn, Richard. “Notes on ‘Class’”. <http://www.richard-gunn.com/pdf/4_notes_on_class.pdf&gt;.

[18] It is for this reason – i.e. the simultaneity of the abstract and concrete – that, hereafter, the category of “surplus population” will be referred to as “surplus proletariat”. As Marx notes in the introduction to the Grundrisse, the category of “population” – which presumes society to be a quantitative collection of atomistic individuals – is itself a “chaotic” abstraction from the class relation. “Population” is therefore a convoluted subjectification of a concept which the present text is attempting to emphasize not as an identity but as a dynamic social relation. As for Marx’s own use of the term “surplus population”, it should be recalled that his invocation of the category has largely to do with the debate against Malthus and as an argument against overpopulation as a biological necessity. As such, Marx establishes the category to bring attention back to the historical and social determinations of the phenomena of overpopulation. In a way, it might be said that Marx’s categorial employment of “surplus population” is a sort of détournement of Malthus, i.e. a polemical appropriation of Malthusian categories of classical political economy by inverting their upside down standing. It is for this reason that Marx refers torelative surplus population, rather than absolute surplus population. It remains an open question how seriously one should contend with the ideological force of Malthusian overpopulation theories in the present moment. This is a legitimate inquiry insofar as there implicitly remains Malthusian presuppositions about demographics within sociological discourse that effectively mystifies the historical specificity of labor productivity in the production of surplus populations. A more topical example would be the populism surrounding ecological catastrophe and its adherence to issues of consumption and demographic patterns, rather than to the real subsumption of nature by the form-determinations of value.

[19] Davis, Mike. Planet of Slums. 2006.

[20] In accordance with the extent to which the capital-labor relation, expressing itself through the surplus proletariat, pervades both relations betweenindividuals as well as through individuals, the following articles describe, in one way or another, the bleak horizons of struggling with the affliction of being recognized only partially by capital: “Young people ‘feel they have nothing to live for’” <http://www.bbc.com/news/education-25559089&gt;. “Spanish Suicides Rise To Eight-Year High”. <http://www.zerohedge.com/news/2014-02-03/spanish-suicides-rise-eight-year-high&gt;. “Is Work Killing You? In China, Workers Die at Their Desks”. http://investmentwatchblog.com/is-work-killing-you-in-china-workers-die-at-their-desks/. “The Greek Mental-Health Crisis: As Economy Implodes, Depression and Suicide Rates Soar”. <http://content.time.com/time/world/article/0,8599,2079813,00.html&gt;. “Suicide rates increased with global economic crisis”. <http://www.medicalnewstoday.com/articles/266181.php&gt;. “US suicide rate rose sharply among middle-aged”. <http://bigstory.ap.org/article/us-suicide-rate-rose-sharply-among-middle-aged&gt;. “Banker Suicides Return”. <http://www.zerohedge.com/news/2014-10-24/banker-suicides-return-dsks-hedge-fund-partner-jumps-23rd-floor-apartment&gt;.

[21] As Rocamadur from Blaumachen writes, “[t]he dangerous classes of the 21st century are not the traditionally defined lumpen-proletariat which, as a permanent fringe of the reserve army of labour, used to live in its own world, and therefore represented from the start an ‘outside’ from the central capitalist relation. The new ‘lumpen-proletariat’ (the new dangerous classes) is encroached by the normality of the wage relation, precisely because the ‘normal’ proletariat is lumpenised. The crisis, on the one hand, causes an abrupt pauperisation of many workers (as is the case in the whole western world), under the burden of increased unemployment/casual employment and debt (loans which they are now unable to repay, which is aggravated by the fact that those who have mortgages cannot always claim benefits to cover their housing costs) or restriction of access to credit. Even more, though, it produces the increased lumpenisation of the proletariat itself—a lumpenisation that does not appear as external in relation to wage labour but as its defining element.” “The Feral Underclass Hits the Streets”. Sic Volume 2 (2014).

[22] The suggestion that the dynamic of the surplus proletariat expresses itself through relations of gender, race and generation remains an open question to be pursued in further discussions. Nevertheless, some preliminary remarks might be offered to propel the theorization of the surplus proletariat along said lines: (1) Regarding gender, it might be posited that the surplus proletariat, in its essential entirety, is feminine insofar as “the general tendency towards “feminisation” is not the gendering of the sex-blind market, but rather the movement by capital towards the utilization of cheap short-term flexibilised labour-power under post-Fordist, globalized conditions of accumulation, increasingly deskilled and “just-in-time”. “The Logic of Gender.” Endnotes Volume 3 (2013). Here, it can be said that the production of the surplus proletariat is the feminization of the proletariat itself. Such a line of thought must also examine the re-privatization of reproduction and the actualization of traditional family roles implied by current developments since the crisis. (2) Similarly, processes of racialization can be understood from the antagonistic relations of the surplus proletariat. Through the condition of the surplus proletariat, labor-power is taunted by the limits of its own exchangeability and is left with an unrealized use-value for capital, a hollow materiality meagerly grasping for the social validity of the exchange relation and instead finding recourse in the naturalization of phenotypic differences. Further, it might be said that immigrants and migrant labor are constitutive of informal labor markets themselves and therefore structurally necessary personifications of total labor-power devaluation. As such, a racialized labor force does not refer to a particular segmentation of the proletariat, but is the resulting social instantiation of the dynamic of the surplus proletariat expressed through ethnic, national and phenotypic attributes. C.f. R.L. “Inextinguishable Fire: Ferguson and Beyond” and “Burning and/or Demanding. On the Riots in Sweden”. Sic Volume 3(forthcoming). (3) In accordance with the ways in which the essence of the surplus proletariat appears through generational disparity, see R.L. “Inextinguishable Fire: Ferguson and Beyond”. Sic Volume 3 (forthcoming) and ““Old People are Not Revolutionaries!” Labor Struggles Between Precarity and Istiqrar in a Factory Occupation in Egypt”. <http://www.focaalblog.com/2014/11/14/dina-makram-ebeid-labor-struggles-and-the-politics-of-value-and-stability-in-a-factory-occupation-in-egypt/&gt;. Marx’s description of the floating surplus population specifically pivots along the ageing process of the labor force. In his time, once workers’ reached a certain age, they were no longer vital enough to carry out the demands of the production process. Today, the situation has changed considerably insofar as capital is now capable of accommodating the elderly within a vast service sector for low-pay and part-time jobs without social benefits or pensions, most notably within the fast-food industries. C.f. “Low-Wage Workers Are Older Than You Think”. <http://www.epi.org/publication/wage-workers-older-88-percent-workers-benefit&gt;. “In Tough Economy, Fast Food Workers Grow Old”. <http://www.nbcnews.com/feature/in-plain-sight/tough-economy-fast-food-workers-grow-old-v17719586>.

[23] The rising cost of state welfare expenditure, and its use by proletarians which aimed at decoupling income from wages, was another manifestation of proletarian defiance at the time.

[24] Robert Kurz. “Double Devalorization”. <https://libcom.org/library/double-devalorization-robert-kurz&gt;.

[25] On the connection between the depreciating currencies and the migration patterns of the surplus proletariat from the former Eastern Bloc, see “Russian Rouble Crisis Poses Threat to Nine Countries Relying on Remittances”. <http://www.theguardian.com/world/2015/jan/18/russia-rouble-threat-nine-countries-remittances&gt;.

[26] A most striking example concerns those instances in which employers propagate policies of connecting wage rates to profit under the laughable rubric of combatting inequality. C.f. “Fiat Chrysler CEO Takes Aim at Two-Tier Wages for UAW Workers”. <http://www.wsj.com/articles/fiat-chrysler-ceo-takes-aim-at-two-tier-wages-for-uaw-workers-1421080693&gt;. “Fiat Chrysler Sets Bonus Scheme for Italian Workers”. <http://www.thelocal.it/20150417/fiat-chrysler-sets-bonus-scheme-for-italian-workers&gt;.

[27] For a discussion of this issue in relation to the historical obsolescence of the party-form of workers’ organization, see Benanav, Aaron and Clover, Joshua. “Can Dialectics Break BRICS?”. South Atlantic Quarterly (2014).

[28] World Bank. “Labor force participation rate, total (% of total population ages 15+) (modeled ILO estimate)”. <http://data.worldbank.org/indicator/SL.TLF.CACT.ZS/countries/CN?display=default&gt;.

[29] “Misery and Debt”. Endnotes Volume 2: Misery and the Value Form (2010).

[30] For a good summary on the origins of the contemporary latent surplus proletariat in China, see “Land Grabs in Contemporary China”. <http://libcom.org/blog/china-land-grabs>.

[31] It is also important to remember that the global division of labor, or segmentation of capital accumulation, is naturally also transforming the internal capital-labor dynamics of individual countries. For a long time, China played the role of a country with a low organic composition with great labor-intensive industries. While this is now changing, the industrialization of China in the last decades also expresses the production of surplus proletariat in the rest of the world. Popular narratives about the global economy in the 2000s consistently lamented the capital flight of core country manufacturing jobs eastward, towards areas of greater labor devaluation. The result produced a devaluation of labor-power within manufacturing industries in Western Europe and the US. As such, the proletarianization of the Chinese population – which is at the same time a production of its own the surplus proletariat – is the expression of production of surplus populations in other parts of the globe.

[32] This historical moment produced – in exchange for the immense growth in productivity and the cheapening of commodities deriving from the massive devalorization of capital during the war – increased purchasing power and greater integration of the proletariat into the spheres of consumption. While this was reflected as a relative decrease in the value of labor-power to the total social value produced, it nonetheless occasioned an absolute increase in the real value of wages. This tendency was additionally accompanied by direct subsidies to the productive sphere as well as an increase in the indirect wage of the proletariat, which thereby obtained the luxuries of a slight increase in the price of its labor above the minimum necessary for the reproduction of that labor, as well as various supplements such as loans, credit, and welfare and retirement benefits.

[33] For a useful reflection on the prospects of Syriza in Greece, see Cognord. “Is it Possible to Win the War After Losing All the Battles?”. <http://www.brooklynrail.org/2015/02/field-notes/is-it-possible-to-win-the-war-after-losing-all-the-battles&gt;.

[34] As a most recent example in Spain, see “Spanish government prepares new National Security Law”. <https://www.wsws.org/en/articles/2015/02/11/spai-f11.html>.

[35] The permanent feeling of being potentially disregarded by the exploitation process expresses the plight of proletarians who understand themselves as middle class. This is expressed as a political problem and is often construed under the rubric of a global citizenry. Such was a central dynamic of the movement of square occupations in 2011, themselves stimulated by issues of urbanization, state infrastructure and repression. On one hand, the state loses its integrating force, and on the other hand, a need for a new form of political mediation is formulated in the social movements. More generally, it can be said that the wave of struggles from 2008-2012 were distinctly characterized by an encounter with the state as their primary antagonist.

[36] It is for this reason, amongst others, that Marx’s occasional apprehension towards the reactionary character of what he referred to as the lumpen proletariatwarrants reexamination under present conditions.

[37] Of course it can be said that there is a normative understanding of the proletariat as always already fragmented by its very nature. This refers to general condition of separated from the means of production and reproduction, as well as the various mediations of value which render the proletariat’s activity as alienated force “over and against it”. However, as fundamental as these conditions might be as prerequisites to the exchange relation, these separations tell us nothing about the historical development of the proletariat’s fragmentation within capitalism at the present moment.

[38] This does not of course mean that struggles within the sphere of production are no longer important, but only that they attain a new meaning within a changed historical and social context of class composition. They cannot therefore be understood as a return of the old workers movement. The more important question about concerning such struggles is whether or not they entail a moment of negation of the existence of the class relation in all of its mediations.